Positionspapier zum Kreislaufwirtschaftsgesetz

Das Positionspapier herunterladen

Das Positionspapier wurde vom Runden Tisch Reparatur an die zuständigen Referate im Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsminsterium sowie an die Mitglieder des Umweltausschusses des Bundestages verschickt.


Positionspapier des Runden Tisches Reparatur e.V. zum Referentenentwurf vom 5. August 2019 im Rahmen der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes

Durch Kreislaufwirtschaft Ressourcen schonen, Klima schützen und Menschen stärken

Vorbemerkung

Der Runde Tisch Reparatur e.V. begrüßt die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zur Umsetzung der geänderten europäischen Abfallgesetzgebung auf nationaler Ebene. Der Entwurf der Novellierung berücksichtigt das Prinzip der Abfallvermeidung stärker und erweitert Vorgaben in Bezug auf die Herstellerverantwortung, die Öffentliche Beschaffung und die Abfallberatung. Dass die Wieder- und Weiterverwendung und damit auch die Reparatur und die Reparaturfreundlichkeit im aktuellen Entwurf des Gesetzes einen größeren Stellenwert erhalten, wird vom Runden Tisch Reparatur grundsätzlich begrüßt. Die formulierten Rechtspflichten sind jedoch häufig zu vage bzw. nicht ausreichend konkret formuliert, um das Potential der Reparatur und Wiederverwendung für die Verringerung unseres Ressourcenverbrauchs auszuschöpfen. Ein Kreislaufwirtschaftsgesetz, das dazu beiträgt, unseren Umgang mit Ressourcen und Produkten grundlegend zu ändern, benötigt konkrete Zielvorgaben, verbindliche Regelungen für die Produktverantwortung und verbesserte Voraussetzungen für die Vorbereitung zur Wiederverwendung.

  1. Verbindliche und quantifizierte Abfallvermeidungsziele

§ 1 Zweck des Gesetzes

Die europäische Abfallhierarchie gibt klar vor: Vermeiden ist besser als Recyceln ist besser als Verbrennen. Im Gesetz fehlt eine Operationalisierung des Anspruchs, ein möglichst abfallarmes Leben in unserer Gesellschaft zu gestalten. Freiwillige Maßnahmen führen nicht zu einer lebbaren Praxis der Abfallvermeidung. Im Gesetz fehlen Abfallvermeidungsziele als klare Orientierungspunkte.

Textvorschlag für § 1 Absatz 3 (neu):

Zur Schonung der natürlichen Ressourcen sollen die Mengen der Siedlungsabfälle pro Einwohner um fünf Prozent jährlich sinken. Diese Vorgabe gilt für 10 Jahre ab Inkrafttreten des Gesetzes.

An diesem Ziel sollen sich alle Maßnahmen zur Abfallvermeidung orientieren. Bestenfalls sollte es
auch spezifische Vermeidungsziele für einzelne Abfallfraktionen geben. Für ein Monitoring der jeweils erreichten Abfallvermeidungsquoten sollten aktuelle Methodenkenntnisse zur Erhebung von vermiedenen Abfallmengen Anwendung finden.

  1. Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Ersatzteilverfügbarkeit

§ 24 Anforderungen an Verbote, Beschränkungen, und Kennzeichnungen, Beratung, Information und Obhutspflicht

Der Runde Tisch Reparatur begrüßt ausdrücklich die Aufnahme der Verordnungsermächtigung zur Festlegung und Konkretisierung von Anforderungen nach § 23 Produktverantwortung, anhand derer die Bundesregierung ermächtigt wird festzulegen, dass

bestimmte Erzeugnisse nur ressourceneffizient, insbesondere in einer Form, die die mehrfache Verwendung, die technische Langlebigkeit und Reparierbarkeit erleichtert (…) in Verkehr gebracht werden dürfen“ (§ 24 Abs. 1 KrWG).

Die Weiter- und Wiederverwendbarkeit, die technische Langlebigkeit und die Reparierbarkeit von Produkten sind zentrale Voraussetzungen für ressourcenschonende Konsumpraktiken. Der Runde Tisch Reparatur unterstützt nachdrücklich Ziel und Zweck eines entsprechenden Instrumentariums, durch welches entsprechende Anforderungen rechtsverbindlich präzisiert werden. Die in § 24 Abs. 1 angeführte Anforderung an die Reparierbarkeit sollte jedoch zwingend um eine Vorhaltungs- und Bereitstellungspflicht für Ersatzteile ergänzt werden, um die Reparatur in der praktischen Umsetzung überhaupt zu ermöglichen:

Textvorschlag für § 24 Absatz 3 (Ergänzung):

Zur Festlegung von Anforderungen nach § 23 wird die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 68) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass

1. bestimmte Erzeugnisse nur ressourceneffizient, insbesondere in einer Form, die die mehrfache Verwendung, die technische Langlebigkeit und Reparierbarkeit erleichtert sowie in bestimmter, die Abfallbewirtschaftung spürbar entlastender Weise in Verkehr gebracht werden dürfen. Dabei schließt die Reparierbarkeit das Verfügbarmachen relevanter Ersatzteile über einen bestimmten Mindestzeitraum ein (…)“

Als nicht hinreichend bestimmt erachtet der Runde Tisch Reparatur hingegen den nachfolgenden Zusatz

sowie in bestimmter, die Abfallbewirtschaftung spürbar entlastender Weise“.

Nach Artikel 80 Absatz 1 S. 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung in dem ermächtigenden Gesetz bestimmt werden. Im vorliegenden Entwurf ist jedoch zum einen die Zielformulierung der „spürbaren Entlastung“ zu unbestimmt und zum anderen wird nicht deutlich, was der konkrete Gegenstand der Entlastung ist. Der Vorschlag des Runden Tisches Reparatur lautet:

1. bestimmte Erzeugnisse nur ressourceneffizient, insbesondere in einer Form, die die mehrfache Verwendung, die technische Langlebigkeit und Reparierbarkeit erleichtert, wodurch die Erzeugnisse eine festzulegende Mindestlebensdauer erreichen und die entsprechenden Abfallmengen und Schadstoffpotenziale reduziert werden können, sowie in bestimmter, die Abfallbewirtschaftung spürbar entlastender Weise in Verkehr gebracht werden dürfen […]“

Da es sich hier dennoch lediglich um eine Verordnungsermächtigung handelt, besteht keine Pflicht zum Erlass einer solchen Verordnung. Der Runde Tisch Reparatur fordert daher, dass der Erlass einer solchen Verordnung im Gesetz verbindlich verankert wird.

Zur Festlegung von Anforderungen nach § 23 wird die Bundesregierung ermächtigt verpflichtet, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 68) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass […]

  1. Obhutspflicht

§ 23 Produktverantwortung

Die sinnlose Zerstörung neuwertiger und funktionsfähiger Waren muss aus Gründen des Klima-, Ressourcen- und Umweltschutzes, aber auch aufgrund sozialer Aspekte gestoppt werden. Händler sollten durch die Festlegung einer gesetzlichen „Obhutspflicht“ verpflichtet werden, Retouren und Überhangwaren gebrauchstauglich zu halten, etwa durch Sorgfalt bei Transport und Aufbewahrung. Dem ermäßigten Verkauf oder der Spende des Produktes muss Vorrang vor einer Entsorgung eingeräumt werden. Werden Retouren und Überhangwaren als Abfall entsorgt, ist dies zu dokumentieren und behördlich zu erfassen. Zudem sollten Sachspenden, ähnlich wie es bereits bei Lebensmittelspenden geregelt wurde, von der Umsatzsteuer befreit werden.

Der Referentenentwurf zur geplanten Novellierung des KrWG vom 05.08.2019 setzt die geschilderte „Obhutspflicht“ – anders als von Umweltministerin Svenja Schulze im Sommer 2019 angekündigt – nicht ausreichend um, da er keine konkreten Pflichten für Unternehmen vorsieht. Anstatt einer Verordnungsermächtigung, bei der unklar bleibt, ob sie kommt und welchen Inhalt sie hat, müssen Obhuts- und Dokumentationspflicht wie von der Umweltministerin versprochen mit der Novellierung des KrWG festgelegt werden

  1. Stärkung der Nachfrage nach reparaturfreundlichen Produkten durch die öffentliche Beschaffung

§ 45 Pflichten der öffentlichen Hand

Die öffentliche Hand hat mit einem jährlichen Volumen von bis zu 350 Milliarden Euro einen immensen Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Marktes und bietet gleichermaßen ein enormes Abfallvermeidungs- sowie Klimaentlastungspotential. Doch bislang werden in deutschen Ämtern, Behörden und anderen öffentlichen Institutionen Produkte vor allem nach ihrem Preis ausgewählt. Im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes müssen Aspekte der Kreislaufwirtschaft wie etwa der Erwerb von gebrauchten und reparaturfreundlichen Produkten und der Einsatz von Sekundärrohstoffen und Recycling-Werkstoffen stärker in die Praxis der öffentlichen Beschaffung integriert werden. Dazu ist eine Verpflichtung zum Vorzug entsprechender Erzeugnisse und Produkte notwendig. Nur mit einer derartigen Verpflichtung und Kontrolle können z.B. reparatur- und umweltfreundliche Produkte in der öffentlichen Beschaffung etabliert werden.

Deshalb begrüßen wir den Ansatz, dass Behörden des Bundes sowie alle Verpflichteten – wie im § 45 des Gesetzentwurfs vorgesehen – unter Berücksichtigung der Abfallhierarchie bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen, bei der Beschaffung oder Verwendung von Material und Gebrauchsgütern, bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen Erzeugnisse vorziehen müssen, die den Anforderungen an Umweltfreundlichkeit und Kreislauffähigkeit genügen und sich u.a. durch Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit und Reparaturfreundlichkeit auszeichnen.

Dieses Gebot sollte auch für die Behörden aller Bundesländer und Kommunen sowie für alle auf öffentlichem Grund stattfindenden Veranstaltungen gelten. Für regelmäßig zu beschaffende Produkte sollte ein verbindlicher Handlungsleitfaden mit konkreten Anweisungen erarbeitet werden, um die einzelnen Beschaffungsstellen bei der Auswahl zu unterstützen. Darüber hinaus ist eine Produktdatenbank nötig, die die Anforderungen nach § 45 (2) kategorisiert und den Auswahlprozess für die Verpflichteten erleichtert. Hinsichtlich der Erfüllung der Kriterien ist sie fortlaufend zu aktualisieren und den technischen Anforderungen sowie den Erfordernissen des Beschaffungsprozesses anzupassen.

Das Vergaberecht sollte diesen Bedingungen angepasst werden.

  1. Stärkung der Vorbereitung zur Wiederverwendung

§ 9 Getrennte Sammlung von Abfällen zur Verwertung

Um eine praktische Umsetzung der Abfallhierarchie, insbesondere die Vorbereitung zur Wiederverwendung, zu gewährleisten, bedarf es zusätzlicher Vorgaben bei der Getrenntsammlung von Abfällen zur Verwertung. Damit Möbel, Bekleidung einschließlich Schuhen und Elektro(nik)geräte in die Wieder- und Weiterverwendung gehen können, ist eine schonende und getrennte Sammlung unbedingt erforderlich. 

Textvorschlag für §9 Absatz 3 (neu) 

Zur Förderung der (Vorbereitung zur) Wiederverwendung soll der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder dessen beauftragter Dritter bei Möbeln, Bekleidung einschließlich Schuhen und Elektro(nik)geräten dafür Sorge tragen, dass direkt an der Sammelstelle eine Vorprüfung hinsichtlich der Eignung zur Vorbereitung zur Wiederverwendung erfolgt. Die als geeignet identifizierten Altprodukte sind frei von weiteren Beschädigungen zu separieren und qualifizierten Fachbetrieben und anderen geeigneten Akteuren zur Vorbereitung der Wiederverwendung zugänglich zu machen.” 


Sollte der öffentlich-rechtliche Entsorger nicht über eigene notwendige Kapazitäten zur Durchführung der Vorbereitung zur Wiederverwendung (inklusive erstmalige Sichtprüfung) verfügen, so sollte er vorzugsweise mit ortsnahen qualifizierten Fachbetrieben, die als Anlagen zur Vorbereitung der Wiederverwendung zertifiziert sind, kooperieren. Dabei sind nach lokalen Erfordernissen Akkreditierungs- und Kooperationskriterien festzulegen, welche eine Ausweitung von Netzwerken der Vorbereitung zur Wiederverwendung unterstützen und dabei zivilgesellschaftliche, gemeinnützige Akteure nicht diskriminieren.

Nicht-kommerziell agierenden Reparatur-Initiativen, die in der Verantwortung der Besitzer helfen, defekte Geräte zu reparieren, und anderen gemeinnützig agierenden Akteuren muss vor Ort in ihren Kommunen auf den Recyclinghöfen und Lagerstätten der Erstbehandler ermöglicht werden, auf Materialien, Objekte und defekte Elektroaltgeräte zuzugreifen. So können sie enthaltene, noch funktionierende, nutzbare Bauteile einer sinnvollen Nutzung durch Weiterverwendung als Ersatzteile anderen defekten Geräten zuführen und Materialien, Objekte und defekte Elektroaltgeräte anderen sinnvollen Nutzungen durch Weiterverwendung zuführen.

Die missbräuchliche Nutzung von defekten Elektroaltgeräten als Handelsgut, das in Drittländern umwelt- und gesundheitsschädigend weiterverarbeitet bzw. ausgeschlachtet wird, ist mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verhindern.


Das Positionspapier herunterladen