Reparieren hilft: Aus der Corona-Krise lernen

Ein Kommentar von Christine Ax

Auch für die Reparaturbewegung ist die COVID-19-Pandemie lehrreich. Beweist sie doch, dass Politik und Gesellschaft, wenn in gefährlichen Situationen, viel handlungs- und anpassungsfähiger ist, als wir es uns bisher vorstellen konnten.

Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob das nur für das Leid gilt, das kurzfristig zu erwarten ist, oder ob es auch für die Gefahren und das Leid gelten, die uns und unseren Kindern mittelfristig und unseren Enkeln langfristig drohen? Reagiert die Politik nur deshalb so eindrucksvoll und konsequent, weil die Folgen des Handelns und Nichthandels sofort Auswirkungen auf die Karrieren der Politiker haben, während die mittelfristigen Krisen (die Toten, Kosten und Pleiten von Morgen) sie nicht mehr während ihrer Amtszeit betreffen werden?

Denn wir alle wissen: Der Klimawandel wird noch in diesem Jahrhundert weit mehr Tote, Leid und Zerstörung mit sich bringen, als diese Pandemie, selbst wenn wir NICHTS gegen die Ausbreitung unternähmen. Diese Katastrophe zu verhindern, erfordert von uns, vor allem weniger C02 freizusetzen. Dies geht nicht ohne einen tiefgreifenden Wandel in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen: Wir müssen unseren Wohlstand mit weniger Rohstoffen und mithilfe Erneuerbarer Energien erzeugen.

Dies erfordert den Übergang in eine echte Kreislaufwirtschaft und die kann weit mehr als Recycling. Langlebige und reparaturfreundliche Produkte sind in einer Kreislaufwirtschaft unverzichtbar. Denn vor allem ein wertschätzender Gebrauch, Instandhaltung und Reparaturen tragen – ebenso wie Teilen und Tauschen – erheblich dazu bei, Ressourcen einzusparen und mit weniger Geld und Konsum gut zu leben. Denn ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Die meisten Umweltbelastungen entstehen bei der Herstellung von Produkten und nicht bei ihrem Gebrauch. Wer instand hält oder repariert, trägt dazu bei, den Klimawandel zu bekämpfen und die Umweltbelastungen direkt zu mindern.

Die Reparatur hat darüber hinaus noch mehr zu bieten: Was wir nicht neu kaufen, müssen wir auch gar nicht erst verdienen. Wer repariert, spart Geld und kann Einkommensverluste kompensieren. Der aktuelle Baumarktboom beweist außerdem eindrucksvoll, wie groß Freude und Nachfrage nach Selbermachen und Reparieren ist. Hierauf muss mit entsprechenden Angeboten reagiert werden.

Dies alles ist nicht neu. Schon lange fordert der Runde Tisch Reparatur von der Politik in Berlin und Brüssel die Durchsetzung des „Rechts auf Reparatur“. Doch obwohl unsere Argumente auf Verständnis stoßen und nicht zu widerlegen sind, hat sich in den letzten Jahren nur wenig bewegt. Immer wieder gelang es der Industrie und ihren Lobbyisten den notwendigen Übergang in die Reparaturgesellschaft zu behindern. Den Konsumenten und den Herstellern radikalere Maßnahmen nicht zuzumuten. Die Freiheit der Konsumenten zu konsumieren und die Interessen der Hersteller wurden viel zu lange höher bewertet, als die Bekämpfung der Klimakrise, die uns teuer zu stehen kommen wird.

Wenn die Politik jetzt davon spricht, die Konjunkturprogramme und die Gelder, die zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgekosten der Corona-Krise zu Verfügung gestellt werden, im Sinne des Klimaschutzes zu verwenden, dann ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir fordern von der EU-Kommission

  • die Arbeit an der wirksamen Umsetzung der Ökodesign-Verordnung nicht zu verzögern, wie von Teilen der Industrie gefordert. Das Verschieben von Umweltauflagen trägt nicht dazu bei, ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen zu unterstützen, sondern zögert den notwendigen Umbau der Wirtschaft nur weiter hinaus.
  • Die Umsetzung von Maßnahmen des European Green Deal, die eine nachhaltige Produktpolitik und eine bessere Informationslage für VerbraucherInnen zum Ziel haben, nicht zu verzögern.

Wir fordern von der Bundesregierung

  • die Mehrwertsteuer für Reparaturdienstleistungen und Gebrauchtwaren zu senken und damit sowohl Handwerksbetriebe als auch VerbraucherInnen zu entlasten und ein klares Anreizsignal zur direkten Ressourcenschonung zu setzen.

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Foto: Mark Phillips