Neue Ökodesign-Regeln: Warum wir trotzdem noch kein Recht auf Reparatur haben

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Heute ist ein wichtiger Tag für die Reparatur in Europa. Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlschränke und Bildschirme müssen mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Ökodesign-Maßnahmen leichter reparierbar werden. Diese neuen EU-weiten Regeln sind ein wichtiger Schritt, weil sie zum ersten Mal vorschreiben, dass Hersteller Ersatzteile und Reparaturinformationen zur Verfügung stellen und Geräte reparierbar sein müssen. Es bedeutet aber nicht, dass wir nun das Recht auf Reparatur in Europa haben. Noch nicht. Das liegt daran:

1. Begrenzte Anwendung

Die in Kraft tretenden Regelungen gelten nur für neue Modelle von Haushaltsgeräten, die in Europa auf den Markt gebracht werden. Konkret für Bildschirme, Waschmaschinen, Geschirrspüler und Kühlschränke. Spezielle Regeln für Server und Schweißgeräte sind bereits früher in diesem Jahr in Kraft getreten.

Nicht enthalten sind Geräte wie Smartphones und Laptops, die heutzutage besonders häufig vorzeitig durch ein neues Gerät ersetzt werden, weil sie nicht oder nur unter hohem Aufwand repariert werden können.

Zwar werden diese beiden Produktgruppen gerade im Rahmen einer eigenen Ökodesign-Studie untersucht. Es wird aber noch Jahre dauern, bis jegliche Art von Reparaturanforderungen auf sie anwendbar sein werden. Der Anwendungsbereich der neuen „Right to Repair“-Gesetzgebung ist also erheblich eingeschränkt.

2. Eingeschränkter Zugang zu einigen Ersatzteilen und Reparaturanleitungen für professionelle Reparateure

Während die neuen Ökodesign-Regeln einen Wendepunkt in Bezug auf die Reparatur darstellen könnten, gilt dies zunächst vor allem für sogenannte professionelle Reparateure. Die neuen Gesetze verpflichten Hersteller, die meisten Ersatzteile und Reparaturanleitungen nur „fachlich kompetenten und versicherten“ Reparateuren zur Verfügung zu stellen (je nach Produkt für 7 bis 10 Jahre, nachdem der Vertrieb eingestellt wurde).

Die Verordnung garantiert nicht, dass Verbraucher*innen oder gemeinnützige Initiativen wie Reparatur-Cafés Zugang zu wichtigen Ersatzteilen und Reparaturinformationen erhalten. Der Runde Tisch Reparatur und die Right to Repair Europe Kampagne fordern ein universelles und herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur. Das bedeutet, dass alle Personen während der gesamten Lebensdauer eines Produkts Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen haben sollten. Das ist mit diesen neuen Regeln eindeutig nicht der Fall.

„Fachlich kompetente Reparateure erhalten endlich das Recht auf Ersatzteile und Reparaturinformationen von vier Produktgruppen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines Recht auf Reparatur, der jedoch so schnell wie möglich auf mehr Ersatzteile und zusätzliche Produktgruppen ausgeweitet werden muss. Es ist zudem sehr besorgniserregend, dass die neuen Regelungen explizit zwischen professionellen und nicht-professionellen Reparateuren unterscheiden. Um das Nachhaltigkeitspotenzial der Reparatur zu nutzen, sollten alle Verbraucher*innen, ehrenamtliche Reparateure und professionelle, unabhängige Werkstätten in der Lage sein, eine Reparatur durchzuführen und Ersatzteile und Informationen zu erhalten. Mit Sicherheitsbedenken zu argumentieren, während gleichzeitig Sicherheitsinformationen zurückgehalten werden, ist inkonsequent.“

Katrin Meyer, Runder Tisch Reparatur

Außerdem bleibt die Definition des Begriffs „professioneller Reparateur“ in der Gesetzgebung sehr vage. Um sich als solcher zu qualifizieren, müsste ein Akteur den Versicherungsschutz für seine Tätigkeit und die technische Kompetenz zur Reparatur eines bestimmten Produkts sowie die Einhaltung der geltenden Vorschriften nachweisen oder in ein offizielles nationales Reparaturregister aufgenommen werden. Derzeit arbeiten nur sehr wenige Länder an der Entwicklung solcher offiziellen Register. Es darf jedoch nicht darauf hinauslaufen, dass es schlussendlich in der Entscheidungshoheit der Hersteller liegt, zu entscheiden, wer sich als professioneller Reparateur qualifiziert und wer nicht.

3. Lange Lieferzeiten von Ersatzteilen

Geht ein wichtiges Haushaltsgerät kaputt, ist es besonders wichtig, dass es so schnell wie möglich repariert oder ersetzt wird – das haben wir sicherlich alle schon einmal erlebt. Wie schnell eine Reparatur durchgeführt werden kann, entscheidet oft darüber, ob Verbraucher*innen das Gerät behalten oder gegen ein neues austauschen.

Nach der neuen Gesetzgebung sollten Ersatzteile innerhalb von 15 Arbeitstagen geliefert werden. Das ist für jemanden, dessen Waschmaschine oder Kühlschrank kaputtgegangen sind, extrem viel Zeit und könnte dazu führen, dass auf eine Reparatur verzichtet und stattdessen ein neues Gerät angeschafft wird.

Darüber hinaus erlauben die Vorschriften den Herstellern, den Zugang zu Reparaturanleitungen sowie zu Ersatzteilen für die ersten 2 Jahre nach Markteinführung eines Produkts zu beschränken, wodurch sie möglicherweise unabhängig vom Garantiestatus ein anfängliches Monopol auf Reparaturen behalten.

4. Ungelöste Software-Probleme

Nach der neuen Verordnung müssen Hersteller professionellen Reparateuren erstmals die neuesten verfügbare Firmware, Software und Sicherheitsupdates zur Verfügung stellen und zwar für den gleichen Zeitraum, der auch für Ersatzteile gilt. Während sich die Details je nach Produktkategorie unterscheiden, enthält die Verordnung leider keine spezifische Anforderung an die Hersteller, die Software während der gesamten Lebensdauer eines Produkts zu aktualisieren. Für Geräte, die mit dem Internet vernetzt sind, sollten solche Sicherheitsupdates jedoch Pflicht sein.

5. Preisgestaltung und mögliche Bündelung von Ersatzteilen

Leider befasst sich die Verordnung nicht mit der Preisgestaltung von Ersatzteilen, die oft das größte Hindernis zwischen der potentiellen Reparierbarkeit eines Produkts und der tatsächlichen Reparatur ist.
Darüber hinaus ist die Bündelung einiger Ersatzteile erlaubt – das bedeutet, dass Werkstätten möglicherweise ein größeres Teil ersetzen müssen, statt nur ein kleines Bauteil auszutauschen. Nehmen wir das Beispiel einer Waschmaschine: Anstatt die Lager in einer Waschmaschinentrommel zu ersetzen, muss möglicherweise die ganze Trommel ausgetauscht werden. Für Verbraucher*innen und Reparateure kann das problematisch werden, da so der Preis für einige Reparaturen weiterhin hoch bleibt und der Austausch des Geräts gegenüber einer Reparatur möglicherweise attraktiver ist.

Wir brauchen dringend ein herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur für alle

Die Ökodesign-Maßnahmen, die heute in Kraft treten, sind ein wichtiger Schritt nach vorn. Gemeinsam mit der Überarbeitung der Energie-Labels erhofft die EU sich von den Maßnahmen, bis 2030 jedes Jahr 167 TWh Energie einzusparen – das ist so viel wie der jährliche Endenergieverbrauch Dänemarks. Auch im Hinblick auf die Reduktion des Ressourcenverbrauchs gehen die neuen Regeln einen ersten Schritt in eine gute Richtung. Doch die vielen Einschränkungen für Verbraucher*innen und unabhängige Reparaturbetriebe zeigen, wie weit wir noch von einem echten herstellerunabhängigen Recht auf Reparatur für alle in Europa entfernt sind. Deshalb setzen sich der Runde Tisch Reparatur und die Right to Repair Kampagne für ehrgeizigere Regeln ein, die die Lebensdauer von Produkten verlängern, den Wunsch der Verbraucher*innen nach reparierbaren Produkten unterstützen und eine nachhaltige, auf lokalen Strukturen basierende Wirtschaft ermöglichen.

Beitrag auf der Webseite von Right to Repair Europe lesen

Weitere Informationen zu den neuen Ökodesign-Anforderungen beim Umweltbundesamt