Welche Kreislaufwirtschaft brauchen wir?

Von Christine Ax
Eine interessante und sehr grundsätzliche Diskussion über die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft entspann sich in diesen Tagen zwischen Piotr Barczak, Waste Policy Officer des European Environmental Bureau und Mal Williams Director des Zero Waste International Trust. Piotr Barczak verwies auf einen Aufsatz “Circular Economy Rebound” von Trevor Zink Loyola Marymount University und Roland Geyer, University of California, Santa Barbara in der Februar Ausgabe (2017) des  Journal of Industrial Ecology https://www.researchgate.net/publication/313371834_Circular_Economy_Rebound. Piotr Barczak schreibt u.a. „Wir sind uns alle dieses (Rebound) Risikos bewusst. Die Kreislaufwirtschaft ist ein Hype und es ist die Aufgabe von NGOs deutlich zu machen, welche Lösungen mehr Gleichheit und mehr Gerechtigkeit bedeuten. Piotr Barczak spricht sich für eine intelligente und ausbalancierte Haltung zu diesen Themen aus.

Piotr Barczak bezieht sich mit seinem Äußerungen  auf die Thesen des Artikels „Circular Economy Rebound“, die hier wie folgt zusammengefasst werden: „Recycling führt solange zu Rebound Effekten, solange die Recyclingmaterialien genutzt werden, um billigeren Produkten herzustellen. Denn das frei werdende Einkommen wird für Konsum gleicher oder ähnlicher Güter genutzt wird. Anders formuliert: Eine Kreislaufwirtschaft ist erst dann ein Beitrag zu mehr Ressourceneffizienz, wenn die globale Nachfrage nach Produkten stabil ist (in ihrer Zusammensetzung und in Bezug auf ihr Volumen).

Dem begegnet Mal Williams, Direktor des Zero Waste International Trust, mit folgenden Überlegungen: Im Prinzip ist die Kreislaufwirschaft der richtige Weg. Denn Abfall sei der wichtigste Indikator für das Versagen eines ökonomischen Systems und Kreislaufwirtschaft (ohne Zweifel) die richtige Antwort. Williams spricht sich für eine Re-lokalisieren aus und Qualität statt Quantität. Dezentrale Produktion sei heute technisch in vielen Märkten möglich. Computer und regenerative Energie stellten die Globalisierung der Güterproduktion in Frage. Eine solche Re-Lokalisierung würde seiner Meinung nach dazu führen, dass kleinere Stückzahlen hergestellt würden und hätte eine De-Urbanisierung zur Folge, weil der ländliche Raum attraktiver würde. Zero-Waste bedeute nicht Produkte zu „Null-Abfall“ zu recyceln sondern mit intelligent designten, langlebigen, rückbaubaren, reparierbaren und recyclebaren Produkten Abfall zu vermeiden.

Kommentar:

Eine wichtige Debatte, zweifelsohne. Denn mit dem Begriff der Kreislaufwirtschaft sind viele Hoffnungen verknüpft. Auch unrealistische und solche, die uns blind machen sollen, für das Wesentliche. Trevor Zink und Gregor Geyer haben mit ihrer Rebound-These Recht. Um unseren Konsum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln  – nicht nur relativ sondern auch absolut – darf die Menge der konsumierten Güter nicht wachsen. Recycling ist nur dann ein Fortschritt wenn die Summe der konsumierten Güter konstant bleibt (oder sinkt) UND der Anteil an recyceltem Materialien an diesen Gütern gleichzeitig wächst. Dieser Anteil muss  außerdem schneller wachsen als die Wirtschaft wächst, denn Wirtschaftswachstum ist seiner Natur nach ein Beschleuniger.

Wie geht das? Eine oft diskutierte marktkonforme Lösung ist eine ökologische Steuerreform sein, die den Energie- und Ressourcenverbrauch verteuert und Reboundeffekte (soweit es die Einkommen betrifft) überkompensiert.  Diese Lösung hat  aber auch Nachteile: sie ist nicht inklusiv.

Bevölkerungsgruppen und Regionen mit niedrigem Einkommen, würden einen relativ höheren Preis bezahlen und die soziale Ungleichheit würde wachsen. Neben allen ethischen Abwägungen heraus, ist dies auch aus umweltpolitisch problematisch, da Armut eine der wichtigsten Ursachen für die Zerstörung von Natur und Umwelt ist.  

Wie aber geht eine Transformation, die beiden Anforderungen genügt:  Dass nämlich erstens die Summe der Nutzungseinheiten, die wir mit konstantem oder besser noch sinkenden Ressourceneinsatz bereitstellen steigt, während die Preise für die Nutzung konstant bleibt oder besser noch sinkt, damit  auch viel mehr ärmere Haushalte weltweit einen Zugang zu diesen Gütern haben.

Denkbar ist eine Umverteilung: Die Einnahmen aus der Energie- und Ressourcensteuer erzielen, werden umverteilt, so dass die Teilhabe aller Haushalte ermöglicht wir:  Steuersenkungen, direkte Zuschüsse oder ein Grundeinkommen.

Zweitens geht es darum, den von Schmidt-Bleek und Walter Stahel bereits in den 90er Jahren entwickelte Strategien umzusetzen: Produkte und Nutzungsregime, die den Materialeinsatz pro Serviceeinheit minimieren und entlang des Lebenszyklus auf eine „Verdienstleistung“ setzen, eine Dematerialiserung der Wettschöpfungskette – also einem steigenden Arbeitseinsatz je Serviceeinheit. 

Dies bedeutet: Ein langlebiges, modulares, reparaturfreundliches, modernisierbares (upcyclebares) und außerdem auch möglichst frugales Design in Verbindung mit Nachhaltigen Nutzungsweisen (Tauschen, Teilen, Weiter- und Wiederverwendung).

Die Reparatur und ihre Voraussetzungen (Zugang zu Ersatzteilen, Informationen und Werkzeugen sowie reparierbare Produkte) steht dabei naturgemäß ganz weiten oben – denn ohne Reparatur ist eine längere Nutzung von Produkten solange nicht möglich, solange Produkte auch Verschleißteile haben, Ingenieure oder Hersteller bei der Konstruktion oder Herstellung Fehler machen. Wovon auszugehen ist.

Neue Technologien, wie der 3-D-Druck kann als Katalysator diesen Trend unterstützen und Beschleunigen.

Dezentrale Strukturen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind von Vorteil: Auch sie ermöglicht Teilhabe vieler Menschen nicht nur am Nutzen sondern auch an der Wertschöpfung, erzeugt Einkommen und bietet Chancen für das Ausüben sinnvoller und herausfordernder Tätigkeiten, gesellschaftliche Teilhabe.

Umso wichtiger ist es also heute ein Auge auf den Bestand und die Zukunft von KMU in diesem Bereich zu haben und den totalitären Machtansprüchen großer Marktplayer wie z.B. Apple, etwas entgegen zu setzen. Die Frage danach, wer Zugang zu Wissen, Knowhow, Ersatzteilen und Werkzeugen hat, ist für genauso zukunftsentscheidend, wie die der Kampf für Open Source Software und gegen alle Versuche  der Industrie über Designschutz, Copyright oder das Übertreiben von Reparatur-Risiken den alleinigen Zugriff auf alle Produkte über den gesamten Lebenszyklus hinweg in der eigenen Hand zu haben.