Wahlcheck Teil I: Wahlprogramme zum Recht auf Reparatur

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In ihren Wahl- beziehungsweise "Regierungs"- oder "Zukunftsprogrammen" erklären die Parteien, welche Maßnahmen sie umsetzen möchten, falls sie nach der Bundestagswahl im September 2021 an der nächsten Regierung beteiligt sind. Der Runde Tisch Reparatur bewertet die Programme im Hinblick auf die Forderungen nach einem Recht auf Reparatur.

Folgendermaßen lassen sich die Aussagen der aktuell im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien im ihren Wahlprogrammen im Hinblick auf die Forderungen des Runden Tisch Reparatur bewerten:

Erklärung des Farbschemas:

Grüner Punkt = Die Forderung des RTR wird größtenteils erfüllt
Gelber Punkt = Die Forderung des RTR wird in Teilen erfüllt
Roter Punkt = Die Forderung des RTR wird nicht erfüllt

Fast alle Parteien gehen in ihren Programmen auf das Problem wachsender Abfallberge und auf die Auswirkungen unseres Konsums ein. Die vorgeschlagenen Lösungen variieren stark: Linke und Grüne erklären detailliert, wie sie Reparatur und längere Nutzungsdauern von Produkten durch bessere Ersatzteilverfügbarkeit, Software-Updates, eine reduzierte Mehrwertsteuer und reparaturfreundliches Produktdesign fördern möchten. Die Grünen fordern als einzige Partei in ihrem Wahlprogramm ein Reparaturlabel, auf dem erkennbar ist, wie lange Ersatzteile und Software-Updates zur Verfügung gestellt werden. Die Linken setzen sich laut eigener Aussage zwar auch dafür ein, haben den Punkt allerdings nicht in ihr Wahlprogramm übernommen. Sie sind dagegen die einige Partei, die fordert, dass Hersteller Reparaturinformationen zur Verfügung stellen.

Die SPD möchte immerhin, dass Produkte reparierbar gestaltet werden und fordert Nachhaltigkeitskriterien für die Öffentliche Beschaffung.

Für CDU/CSU scheinen verfügbare Ersatzteile und Reparaturinformationen und reparierbare Produkte nicht auf der To-do-Liste zu stehen. Immerhin sprechen sie, ebenso wie die Linken und die Grünen, davon, Nachaltigkeitskriterien für die öffentliche Beschaffung und Anforderungen an die Verfügbarkeit von Software-Updates einführen zu wollen.

Die FDP erwähnt die Förderung langlebiger und reparierbarer Produkte  nicht und spricht sich explizit gegen Produktverbote aus.

Hintergrund: Textstellen der Programme

Der Bewertung liegen folgende Inhalte der verabschiedeten und veröffentlichten Wahlprogramme zugrunde:

Problemanalyse Kreislaufwirtschaft muss sich lohnen. Sie schont natürliche Ressourcen, spart Energie und Emissionen, schafft Arbeitsplätze und sichert Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Wir werden Anreize setzen, weniger Abfall zu produzieren, abfallarme Produkte zu entwickeln und die Möglichkeiten einer stofflichen Wiedernutzung von Recyclingrohstoffen zu verbessern. Mit Ressourcen werden wir nicht länger verschwenderisch umgehen. Wir werden unsere Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft umbauen. Die Menge an Abfall, die wir in Deutschland produzieren, muss deutlich weniger werden. Von der Waschmaschine bis zum Handy – viele Geräte landen schon nach kurzer Zeit auf dem Müll, weil sie schnell kaputtgehen, nicht reparierbar sind oder keine Softwareupdates mehr angeboten werden. Das ärgert die Verbraucher*innen, es verschwendet wertvolle Ressourcen und verursacht Berge von Elektroschrott. Wir setzen stattdessen auf Qualität und Langlebigkeit. Durch ein Recht auf Reparatur wollen wir Elektroschrott von vornherein vermeiden. Die globalen Ressourcen sind begrenzt; auch nachwachsende Rohstoffe benötigen Zeit zur Erneuerung. Wir müssen raus aus der Wegwerfgesellschaft, rein in eine Kreislaufwirtschaft. Die Digitalisierung erfordert einen hohen Energie- und Ressourcenverbrauch für Rechenzentren und Endgeräte. Das betrifft sowohl den benötigten Strom als auch die erforderlichen Rohstoffe. Wir Freie Demokraten wollen technologieoffenes Recycling in Deutschland ermöglichen und Abfälle zu neuen Rohstoffen machen, um letztlich eine EU-weite Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Ressourcenschonung bedeutet nicht nur Verzicht, sondern kann auch durch innovative Wiederverwertungs-technologien erreicht werden.
Ersatzteile: Ersatzteile müssen allen Marktteilnehmer*innen für einen angemessen langen Zeitraum nach Ende des Inverkehrbringens eines Modells zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stehen - - Mindestens für die erwartbare Lebensdauer müssen Ersatzteile und Softwareupdates kostengünstig erhältlich sein. Für digitale Endgeräte brauchen wir gesetzliche Vorgaben zur Ersatzteilverfügbarkeit. -
Produktdesign: Produkte müssen so gestaltet sein, dass ihre einzelnen Komponenten mithilfe von handelsüblichem Werkzeug und ohne großen Aufwand ausgetauscht werden können. - Produkte müssen so gestaltet werden, dass man sie wiederverwenden, recyceln und auch reparieren kann. Die Grundlage dafür sind verbindliche Designvorgaben, damit elektronische Geräte so gestaltet sind, dass sie möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind Wir wollen die Ökodesignvorgaben für Produkte erweitern, um Anforderungen an Lebensdauer, Update-, Upgrade-, Reparier-, Weiterverwend- und Recycelbarkeit zu schaffen. Wir unterstützen das »Top-Runner-Modell« für die Produktion von Geräten (das nachhaltigste Gerät zu einem bestimmten Zeitpunkt setzt den neuen Standard). Für digitale Endgeräte brauchen wir gesetzliche Vorgaben zu Mindestlebensdauer, modularem Aufbau, Reparierbarkeit durch Nutzer*innen und Werkstätten Es dürfen nur langlebige, reparaturfreundliche, material- und energiesparende Produkte hergestellt werden. -
Anleitungen und Diagnosetools: Hersteller müssen Informationen über Reparaturen allen Marktteilnehmer*innen zur Verfügung stellen, vorzugsweise inklusive einer Angabe der Schwierigkeit und benötigter Fähigkeiten. Auch Diagnosetools müssen zur Verfügung stehen. - - - Hersteller müssen Reparaturanleitungen mitliefern. -
Reparaturindex: Verbraucher*innen müssen am Verkaufspunkt Informationen über Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Reparaturanleitungen, Software-Updates und Reparaturfreundlichkeit des Produkts erhalten. - - Ein Label soll erkennbar und vergleichbar machen, wie lange Ersatzteile und Softwareupdates zur Verfügung gestellt werden. Bis 2030 werden wir alle Güter und Materialien, die auf den Markt kommen, mit einem digitalen Produktpass ausstatten, der Unternehmen und Verbraucher*innen alle für sie wichtigen Informationen über Design, CO2- Fußabdruck, Reparierbarkeit und Materialien bereitstellt, die für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft nötig sind. - -
Digitalisierung/ Software: Software-Updates müssen mindestens 7 Jahre nach Ende des Inverkehrbringens eines Produkts zur Verfügung gestellt werden. Die Serialisierung von Ersatzteilen darf eine Reparatur nicht be- oder verhindern. Wir wollen einen klaren Rechtrahmen auf europäischer wie auf Bundesebene für digitale Plattformen schaffen. Haftung, Sicherheit, Gewährleistung, Software- Updates, Nutzerbewertungen und Produktrankings sind hierfür wichtige Gesichtspunkte. Öffentlich finanzierte Software sollte, wo möglich, als Open- Source transparent entwickelt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Mindestens für die erwartbare Lebensdauer müssen Ersatzteile und Softwareupdates kostengünstig erhältlich sein. Ein Label soll erkennbar und vergleichbar machen, wie lange Ersatzteile und Softwareupdates zur Verfügung gestellt werden Spätestens wenn Hersteller den Support beenden und keine Sicherheitsupdates mehr liefern, muss der Quellcode veröffentlicht werden, damit andere Sicherheitsupdates schreiben und bereitstellen können. Für digitale Endgeräte brauchen wir gesetzliche Vorgaben zu verpflichtenden Software-Updates Die IT-Systeme der öffentlichen Hand sollen stärker als bislang auf Open-Source-Lösungen bauen, um die Abhängigkeit von einzelnen Anbieterinnen und Anbietern proprietärer Software zu verringern.
Mehrwertsteuer: Auf Reparatur-dienstleistunge n und Ersatzteile sollte ein reduzierter Mehrwertsteuersatz gelten. Die EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie muss um die Möglichkeit, einen ermäßigten Satz für Elektrogeräte einzuführen, ergänzt werden. - - Außerdem werden wir den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Reparatur-dienstleistungen einführen und uns auf EU-Ebene für die Ausweitung auf die Reparatur von Elektrogeräten einsetzen. Für Reparatur-dienstleistungen und Demontage wollen wir die Mehrwertsteuer auf 7 Prozent senken. Reparatur und Wiedernutzung muss Vorrang vor Recycling haben. -
Öffentliche Beschaffung: Bei der öffentlichen Beschaffung müssen Vorgaben in Bezug auf Reparierbarkeit berücksichtigt werden. Als Großabnehmer für Zukunftstechnologien und Vorbild beim nachhaltigen Wirtschaften wird die Bundesverwaltung ihr Handeln und ihre Beschaffung an Nachhaltigkeits-indikatoren ausrichten. Wir werden die öffentliche Beschaffung so ausrichten, dass sie Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozialökologischen Wandels dient. Hierfür sollten die Vergabekriterien stärker auf Innovation, Tarifbindung, Geschlechter-gerechtigkeit und klimafreundliche Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien sind so anzupassen, dass möglichst sozial-ökologisch nachhaltige Technologien vorrangig zum Einsatz kommen. Bei IT-Beschaffungen des Bundes müssen Faktoren wie Herstellerabhängigkeit, Folgebeschaffung, technische Offenheit, Sicherheit, Datenschutz, Reparaturfähigkeit, Nachhaltigkeit und soziale Kriterien zwingend in die Bewertungen einfließen und Zertifizierungen wie der Blaue Engel für IT-Produkte zum Standard werden. Für die öffentliche Beschaffung müssen strenge sozialökologische Vorgaben gelten in Bezug auf Arbeits- und Umweltschutz in den Herstellerländern, Langlebigkeit und Reparierbarkeit. -

Thema Mindestlebensdauer und Gewährleistung

Die Grünen und die Linken fordern in ihren Programmen darüber hinaus die Angabe einer verpflichtenden Mindestlebensdauer auf Produkten.

Grüne: "Durch die Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre, die Erweiterung der Beweislastumkehr auf zwei Jahre und eine Angabe der vom Hersteller vorgesehenen Lebensdauer wollen wir erreichen, dass Geräte für eine längere Lebensdauer gebaut werden."

Linke: "Für langlebige technische Geräte wie Kühlschränke,  Waschmaschinen und Fahrzeuge, IT- und Elektrogeräte soll eine gesetzlich garantierte Mindestnutzungsdauer von fünf Jahren Pflicht werden. Darüber hinaus müssen IT-Produkte und Haushaltsgeräte leicht reparierbar und Upgrades jederzeit möglich sein. Wir fordern eine Anpassung der Produkthaftung an das digitale Zeitalter."

Einschätzung des Runden Tisch Reparatur

Die Angabe einer solchen Mindestlebensdauer ist aus Sicht des Runden Tisch Reparatur differenziert zu betrachten. Sie kann zwar dazu führen, dass Hersteller die Langlebigkeit ihrer Produkte stärker in den Blick nehmen und möglicherweise Designentscheidungen daran orientieren.

In Form eines „Verfallsdatums“, das Störungen und Verschleiß nicht vorsieht, könnte eine solche Angabe allerdings auch dazu führen, dass technische Geräte bei auftretenden Defekten und Verschleißerscheinungen in den Augen der VerbraucherInnen zu Abfall werden. Ist das Datum erreicht, erwarten die NutzerInnen ein neues Gerät, sobald das erste Problem auftritt. Zudem würde es Herstellern ermöglicht, den Lebenszyklus von Geräten geplant zu verkürzen.

Die Hersteller sollten auch nicht aus der Pflicht entlassen werden, die Reparatur und damit die Frage nach Ersatzteilverfügbarkeiten bei ihren Planungen mit zu berücksichtigen. Nur wenn die Geräte auch über diese Mindestlebensdauer hinaus genutzt werden, sind Hersteller motiviert und genötigt, Verschleißteile als Ersatzteile lange vorzuhalten.

Eine Mindestlebensdauer, an der sich der Gewährleistungszeitraum orientiert, müsste politisch vorgegeben werden, um einen Mindest-Standard sicherzustellen.

VerbraucherInnen müssen zudem im Gewährleistungszeitraum entscheiden können, wer eine Reparatur durchführen soll. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Monopolstellung der Hersteller auf dem Aftermarket weiter zementiert und verlängert und der freien Reparaturmarkt massiv geschädigt wird.

Wenn Händler Reparaturen innerhalb des Gewährleistungszeitraums nur von Herstellern oder deren lizenzierten Vertragswerkstätten durchführen lassen, werden die Dienste unabhängiger Werkstätten weniger nachgefragt. Für Reparaturen ausgegebenes Geld bleibt in diesem Szenario in der Industrie und gelangt nicht auf den freien Markt unabhängiger Reparaturdienstleister.

Fazit und Ausblick: Wahlprüfsteine

Der Vergleich der Wahlprogramme macht deutlich, welche Parteien eine längere Nutzung unserer Produkte fördern möchten und sich mit dem Thema Reparaturförderung und Ressourcenschutz auseinandergesetzt haben.

Da die Programme nicht für jedes Thema ein abschließendes Bild über die Ansichten und Positionen einer Partei zeichnen können, haben wir auch Wahlprüfsteine an die Parteien geschickt. Anhand der Prüfsteine können die Forderungen des Runden Tisch Reparatur noch einmal explizit mit den Aussagen der Parteien abgeglichen werden. Sobald die Antworten vorliegen, werden wir sie im Laufe des Sommers hier auf der Webseite veröffentlichen.