Smartphones: Wie durchbrechen wir den 2-Jahres-Zyklus?

Aus

Ein Beitrag von Markus Droemann von der Organisation Nesta

Fast ein Drittel der Nutzer*innen ersetzt ihr Smartphone, weil sich die Leistung des alten Geräts deutlich verschlechtert. 19 Prozent kaufen sich ein neues Gerät, weil bestimmte Anwendungen oder die Software auf dem alten Smartphone nicht mehr funktionierten. Neben verfügbaren und erschwinglichen Reparaturinformationen und Ersatzteilen ist die Ausweitung von Software-Updates ein wesentlicher Aspekt eines universellen Rechts auf Reparatur. Markus Droemann von der Organisation Nesta erklärt, warum das so ist, und stellt eine aktuelle Studie zum Thema vor.

(Dieser Beitrag ist eine Übersetzung des Blogbeitrags auf repair.eu)

Den Zwei-Jahres-Zyklus durchbrechen

Wenn es um die digitale Zukunft Europas geht, scheint die Europäische Kommission optimistisch zu sein. In ihrer neuesten Blaupause zum Thema, "Europe's Digital Decade", malt sie das Bild eines digital transformierten Europas, in dem bis 2030 Verbraucherrechte gestärkt und unser ökologischer Fußabdruck verringert werden. Doch dieses Bild der Zukunft ist fragwürdig. Es besteht kein Zweifel an den ökologischen und sozialen Auswirkungen digitaler Produkte. Immer mehr Menschen verbringen mehr Zeit im Internet und nutzen mehr Geräte - die wir immer häufiger austauschen - auf immer energieintensivere Weise. Wenn Europa seine grünen Ambitionen ernst nehmen will, muss es sich der Herausforderung stellen, gleichzeitig eine grünere und stärker digitalisierte Wirtschaft aufzubauen. Kaum irgendwo wird dieses Problem deutlicher als in unserer Beziehung zu Smartphones.

Das Ausmaß des Problems

Europäer*innen kaufen pro Jahr etwa 200 Millionen Smartphones. Für jedes Gerät müssen etwa 34 Kilogramm Roherze abgebaut werden, wobei Prozesse zum Einsatz kommen, die eine enorme Belastung für die Umwelt, die Arbeiter*innen und die Gemeinden, vor allem im globalen Süden, darstellen. Allein Europas Smartphone-Besessenheit führt jedes Jahr dazu, dass über 6,8 Milliarden Kilogramm Erde bewegt werden – nicht einmal die Große Pyramide von Gizeh wiegt so viel. Auch die globalen Herstellungsprozesse sind energieintensiv. Es wird geschätzt, dass die Smartphone-Produktion 11 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aller Internettechnologien ausmacht. Während ihres gesamten Lebenszyklus verursachen Smartphones allein 12 bis 16 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. Das ist mehr als Lettland 2017 verbrauchte. Das Problem wird dadurch verstärkt, dass Europäer*innen ihre Smartphones im Durchschnitt alle zwei Jahre austauschen, also in der Regel lange bevor die Geräte das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen. Da 72 Prozent der Smartphone-bedingten Emissionen entstehen, bevor das Gerät überhaupt seine*n Besitzer*in erreicht, könnte es einen enormen Unterschied in unserer CO2-Bilanz ausmachen, wenn wir diesen teuflischen zweijährigen Austauschzyklus von Smartphones durchbrechen. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass eine Verlängerung der Lebensdauer eines Smartphones auf nur drei oder vier Jahre die Emissionen dieser Gerätekategorie um 29 bzw. 44 Prozent reduzieren würde.

Was können wir also tun?

Zum Glück fangen wir langsam an, uns des Problems bewusst zu werden. Insbesondere die "Right to Repair Europe"-Bewegung macht auf die unzähligen Möglichkeiten aufmerksam, mit denen modernes Produktdesign die Lebensdauer von Unterhaltungselektronik absichtlich und unabsichtlich verkürzt. Aber wird ein Recht auf Reparatur, wie es derzeit von den europäischen Institutionen in Erwägung gezogen wird, wirklich den teuflischen Zweijahreszyklus des Smartphone-Konsums durchbrechen? In einer neuen Studie werfen Nesta und NGI Forward einen Blick auf diese Herausforderung und schlagen drei zusätzliche Maßnahmen vor, die Politiker*innen in Brüsseler in Betracht ziehen sollten, um die Verbraucherrechte zu stärken und die Smartphones von morgen nachhaltiger zu machen.

1. Verpflichtende Software-Updates über sieben Jahre

Die Lebensdauer von Smartphones hängt maßgeblich von ihrer Software ab, die regelmäßig aktualisiert werden muss, damit die Geräte reibungslos und sicher laufen. 30 Prozent der Nutzer*innen tauschen ihr Smartphone aus, weil die Leistung des alten Geräts deutlich nachgelassen hat. 19 Prozent ersetzen es, weil bestimmte Anwendungen oder Software auf dem alten Gerät nicht mehr funktionieren. Obwohl eine zeitnahe und dauerhafte Softwarebereitstellung so wichtig ist, erhalten die 69 Prozent der europäischen Smartphones, die mit Android betrieben werden, im Durchschnitt nur Updates im Wert von zwei Jahren. Apples Geräte schneiden besser ab, sie erhalten im Durchschnitt fünf Jahre Software-Support. Es gibt aber bisher keine gesetzliche Verpflichtung, eine Mindestdauer für Updates bereitzustellen. Das könnte sich ändern. Wir würden es begrüßen, wenn die Hersteller sieben Jahre lang Updates zur Verfügung stellen müssten. Das würde die langfristige Nutzbarkeit der Geräte drastisch verbessern und die Umweltbelastung durch Smartphones senken.

2. Alternative Software ermöglichen, wenn es keine Updates mehr gibt

Smartphone-Hersteller und politische Entscheidungsträger*innen sollten auch nach Möglichkeiten suchen, Geräte für Betriebssysteme und Software von Drittanbietern zu öffnen. Dabei sollte die Lebensdauer nach dem Update verlängert werden, ohne dabei die Gerätesicherheit zu beeinträchtigen. Die Ansätze hierfür könnten unterschiedlich sein. Die EU könnte von den Herstellern verlangen, dass sie die Software eines Geräts als Open Source zur Verfügung stellen, wenn sie den Software-Support einstellen. Dies könnte zum Beispiel die Veröffentlichung des Software-Codes auf einer öffentlichen Plattform unter einer von der Open-Source-Initiative genehmigten Lizenz beinhalten, so dass Entwickler*innen freier und quelloffener Software (FOSS) und Sicherheitsexpert*innen den Support für ältere Geräte fortsetzen können. Da einzelne Komponenten oft über eigene Firmware und Treiber verfügen, müsste dieser Ansatz die gesamte Lieferkette berücksichtigen. Eine andere Lösung wäre es, den Nutzer*innen den Wechsel zu Open-Source- oder Aftermarket-Betriebssystemen wie /e/ oder PostmarketOS zu ermöglichen, was die Lebensdauer von ansonsten nicht unterstützten Geräten deutlich verlängern kann. Fairphone ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das diesen Ansatz bereits verfolgt, indem es Nutzer*innen erlaubt, ihr Gerät zu entsperren und alternative Software zu installieren.

3. Reparaturanleitungen und Diagnosetools öffentlich zur Verfügung stellen

Smartphones sind unglaublich komplex. Deshalb sollten alle, die ein Gerät reparieren möchten, eine genaue und einfache Anleitung erhalten können, um das Gerät zu verstehen. Die meisten Smartphone-Hersteller kontrollieren jedoch den Zugang zu Informationen über die Reparatur ihrer Geräte streng. Das macht es Reparateur*innen und Nutzer*innen schwieriger, die Lebensdauer ihrer Geräte zu verlängern. Einige Gerätehersteller argumentieren damit, dass Reparaturanleitungen und Schaltpläne Geschäftsgeheimnisse darstellen und ihre Veröffentlichung Reparaturunternehmen in die Lage versetzen könnte, ihre Urheberrechte zu verletzen. Laut der Repair Association müssen Reparaturanleitungen jedoch keine Geschäftsgeheimnisse enthalten. Hersteller sind außerdem weiterhin durch ihre Urheberrechte und Patente vor Nachahmung geschützt. Mitglieder des Europäischen Parlaments haben mehrfach für ein "Recht auf Reparatur" gestimmt, das aber nur wirksam sein kann, wenn Verbraucher*innen in die Lage versetzt werden, ihre Rechte sinnvoll durchzusetzen. 77 Prozent der Europäer*innen würden ihre elektronischen Geräte lieber reparieren als sie zu ersetzen. Aber ohne Reparaturanleitungen und Diagnosewerkzeuge werden jedes Jahr Millionen von beschädigten Smartphones aufgegeben. Wir wissen, dass diese Materialien existieren und dass die Hersteller sie veröffentlichen, wenn die Anreize stimmen - so wie Samsung kürzlich mehrere Reparaturanleitungen für seine Smartphones zur Verfügung gestellt hat, um seine Punktzahl im französischen Reparatur-Index zu erhöhen.

Wie geht es weiter?

Die Europäische Kommission berät im Laufe dieses Jahres über die Gesetzgebung in diesem Bereich. Daher sollten besorgte Bürger und Organisationen der Zivilgesellschaft in den kommenden Wochen und Monaten ihre Meinung zur Initiative für nachhaltige Produkte und zur Ökodesign-Verordnung kundtun.

Und wenn Sie sich für dieses Thema interessieren, melden Sie sich hier für den Right to Repair-Newsletter an. Wir halten Sie auf dem Laufenden, wenn es um Updates zu Smartphone-Regelungen über verpflichtende langfristige Software-Updates und die Verfügbarkeit von Reparaturhandbüchern geht.


Dieser Beitrag wurde zuerst auf repair.eu veröffentlicht.