Serialisierung: Wie Software die Reparatur von Smartphones unmöglich machen kann

Aus

Blogbeitrag ursprünglich erschienen auf repair.eu

Wir wissen, dass es bereits viele Hindernisse für die Reparatur von Elektronikprodukten gibt. Von verklebten Akkus über notwendige Spezialwerkzeuge und teure Ersatzteile bis hin zu schwer erhältlichen Anleitungen: Nur etwa 11 % der VerbraucherInnen in Europa lassen ihr Smartphone reparieren, wenn es kaputt geht.

Was aber, wenn eine Software die Reparatur noch schwieriger machen könnte?

Ein wachsender Trend

Hersteller von Smartphones und anderen elektronischen Produkten koppeln einzelne Produktteile immer häufiger miteinander (sogenanntes ‚Part Pairing‘). Damit kontrollieren sie, wer bestimmte Arten von Reparaturen durchführen darf und wer nicht. Ermöglicht wird dies durch die Serialisierung von Ersatzteilen: Einige Teile erhalten eine eindeutige Seriennummer, die mithilfe einer Software mit einem anderen Teil des Geräts gekoppelt wird. Wenn man eines dieser Teile während einer Reparatur austauscht, wird das neue Teil mit einer anderen Seriennummer nicht akzeptiert. Es sei denn, es wird vom Hersteller per Software erneut mit dem Gerät gekoppelt. Dieser Ansatz könnte große Hindernisse für unabhängige und selbständige Reparaturen schaffen.

Das Phänomen tritt bisher vor allem bei Apple-Produkten auf. Es besteht jedoch die Befürchtung, dass es sich bald auf die gesamte Branche ausweitet. Der Trend ist eindeutig: Während 2015 nur zwei iPhone-Teile über eine Seriennummern verfügten, waren es 2020 bereits neun. Die meisten davon kann nur der Hersteller selbst austauschen, wenn es zu keinem Funktionsverlust kommen soll. Die übrigen Teile können nur dann ohne Funktionsverlust oder Fehlermeldung ausgetauscht werden, wenn man sie mit Geräten umprogrammiert, die nur im autorisierten Reparaturnetz des Herstellers erhältlich sind. Nur wenige gekoppelte Teile können ausgetauscht und mit Tools freigeschaltet werden, die außerhalb des autorisierten Netzes des Herstellers erhältlich sind.

Eine ernste Bedrohung für die unabhängige Reparatur und die Selbstreparatur

Diese Beschränkungen widersprechen einem herstellerunabhängigen Recht auf Reparatur, für das wir eintreten. Hersteller können auf diese Weise vorschreiben, dass man für eine Reparatur nur neue, von ihnen verkaufte Originalersatzteile verwenden darf. So können sie die Kosten und die Art möglicher Reparaturen kontrollieren. Außerdem können sie unabhängige Werkstätten, VerbraucherInnen und ehrenamtliche Reparaturinitiativen daran hindern, selbst Reparaturen mit Originalteilen (zum Beispiel aus einem anderen Smartphone) oder mit Aftermarket-Ersatzteilen vorzunehmen.

Unabhängige Werkstätten (d. h. solche, die nicht zum “autorisierten” Reparatursystem eines Herstellers gehören) sind jedoch unverzichtbar, wenn Reparieren wieder normal werden soll. Die Hersteller sind nicht nur in der Anzahl ihrer Standorte beschränkt, sondern führen auch oft nicht viele Reparaturen durch. Nicht selten sagen sie ihren KundInnen, dass eine gewünschte Reparatur nicht möglich ist. Das führt dann in einigen Fällen dazu, dass diese sich ein neues Produkt kaufen.

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass 78 % der unabhängigen Smartphone-Reparaturtechniker in den USA eine größere Auswahl an Reparaturen anbieten als die Hersteller. 41 % ihrer Reparaturen würden Hersteller nicht in ihren Servicecentern durchführen. VerbraucherInnen können Ihre Smartphones auch selbst reparieren. Das gelingt oft mit Hilfe von Online-Tutorials oder mit Unterstützung, zum Beispiel in Repair Cafés.

Eine Bedrohung für reparierbare Produkte

Im März 2020 hat sich die Europäische Kommission dazu verpflichtet, nachhaltige Produkte zur Norm zu machen. Dabei will sie den Schwerpunkt auf Elektronik- und IKT-Geräte legen und konkret bei Smartphones anfangen. Derzeit erarbeitet sie Ökodesign-Anforderungen, die sie im nächsten Jahr verabschieden will. Nach dem derzeitigen Entwurf der Verordnung sollten NutzerInnen sowohl den Bildschirm als auch den Akku von Smartphones selbst reparieren können. Bildschirm und Akku sind für 41 beziehungsweise 16 % der Reparaturfälle in Reparaturinitiativen verantwortlich. Bei allen neueren Apple-Modellen sind diese Teile jedoch serialisiert und mit Software an ein bestimmtes Gerät gekoppelt.

Die Ökodesign-Verordnung könnte viele andere Ersatzteile zumindest für professionelle Reparateure verfügbar machen. Wir befürchten jedoch, dass die Hersteller das Koppeln von Teilen nutzen, um diese Reparaturen weiter einzuschränken und unabhängige Werkstätten und andere daran zu hindern, günstigere Reparaturen mit Ersatzteilen durchzuführen, die nicht direkt vom Hersteller stammen. Auch sollten VerbraucherInnen selbst entscheiden können, wo sie eine Reparatur durchführen lassen und ob sie ein neues Teil in ihr Gerät einbauen lassen wollen oder nicht. Dieses wachsende Problem könnte dazu führen, dass Elektronikreparaturen immer seltener werden. Reguliserungsbehörden müssen es deshalb dringend adressieren.

Zum Blogbeitrag bei repair.eu


Im Juli diskutierten Expert*innen darüber, wie die Serialisierung sich auf Reparaturen auswirkt und wie die EU-Kommission verhindern könnte, dass sie zu einem wachsenden Problem für unabhängige Reparateure wird. Hier können Sie sich die Aufzeichnung des Webinars anschauen.