Recht auf Reparatur, Recht auf Reparierbarkeit und Recht auf Ersatzteile

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Was ist das Recht auf Reparatur? Wie steht es im Zusammenhang mit einem Recht auf Reparierbarkeit? Franz Streibl, Vorstandsmitglied des Runden Tisch Reparatur, geht im folgenden Beitrag diesen beiden Begriffen auf den Grund und erklärt, warum weder Sicherheits- noch Kompetenzbedenken einer fairen Ersatzteilpolitik im Weg stehen sollten.


Von Franz Streibl

Das Recht auf Reparatur wird in einer Situation diskutiert, in der kein Verbot von Reparatur besteht.

Ja, Reparaturen sind nicht verboten. Dennoch sind Reparaturen in der Praxis oft nicht möglich. Menschen, die ein Interesse an der Möglichkeit von Reparaturen haben, fordern deshalb ein Recht auf Reparatur. Warum sind Reparaturen in der Praxis nicht möglich?

Bei genauerer Betrachtung bezieht sich die Forderung nach einem Recht auf Reparatur nämlich auf die Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit eine Reparatur stattfinden kann. 

Das prinzipielle Recht dazu besteht ja bereits, weil es kein Verbot gibt. Es gibt insbesondere auch keinen rechtlich begründbaren Erlaubnisvorbehalt. Warum de facto doch einer besteht, folgt unten.

Zunächst zu den Bedingungen für Reparatur: Konkret sind diese Reparaturbedingungen in erster Linie der Zugang zu Ersatzteilen und gegebenenfalls in zweiter Linie auch zu Reparaturanleitungen.

Die Erlaubnis wird in der Praxis von den Herstellern gegeben, denn jeder Hersteller “moderiert” Reparaturen seiner Produkte durch den Zugang zu den Ersatzteilen seiner Geräte nach eigenem Gutdünken.

Hier hat jeder Hersteller eigene Ansichten und üblicherweise auch subjektiv gute Gründe, den Zugang zu Ersatzteilen im Einklang mit seinem Geschäftsmodell zu gestalten. Insbesondere hat aber auch jeder Hersteller rechtlich die Freiheit, seine eigene Ersatzteilpolitik hinsichtlich Zugang und Verfügbarkeit zu gestalten. Eine Freiheit, der der Käufer eines, normalerweise frei ausgewählten, Produkts dieses Herstellers auch, zumindest implizit, beim Kauf zustimmt.

Und hier setzt nun ein mögliches Recht auf Reparatur an, indem es – nach allem was wir bisher wissen – auf die Ersatzteilpolitik des Herstellers und vermutlich durch Regulierung oder Gesetzgebung Einfluss nimmt.

Ein solches Recht auf Reparatur wäre folglich praktisch nicht beim Reparierenden anzuwenden, sondern beim Hersteller in Form einer Verpflichtung zur Ersatzteillieferung im Sinne der Reparierenden, vielleicht auch zur Zugänglichmachung von Reparaturinformationen für Reparierende.

Konkret ist der Bedarf bei der Reparierenden folglich weniger ein Recht auf Reparatur, das bei ihr allein ja nicht verwirklicht werden kann, sondern ein Recht auf Reparierbarkeit.

 Noch genauer: Ein Recht auf Reparierbarkeit ihres Eigentums. 

Reparierbarkeit als objektive Produkteigenschaft ist fast immer nicht nachträglich zum Produkt hinzufügbar, die Weichen werden hierbei während der Produktentwicklung (Produktdesign) gestellt. Ein Recht auf Reparierbarkeit ist also regulativ am ehesten in der europäischen Marktkonformitätsregelen, genauer in den europäischen Ökodesignregeln verortbar. Dort werden nämlich seit Jahren bereits technische Produkteigenschaften wie Mindestwerte bei den Energieeffizienzen neuer Produkte verbindlich vorgeschrieben (siehe Glühbirnenverbot).

Warum ist diese Begriffsklarheit wichtig? Weil es ansonsten sein könnte, dass die Hersteller den Wunsch nach einem Recht auf Reparatur in Form von Reparaturmöglichkeiten unter ihrer Regie und in ihren Räumlichkeiten vestehen. Man könnte dann auch von einem Recht auf ein Reparaturangebot sprechen. In dieser Auslegung von “Recht auf Reparatur” wäre die Ausübung des Eigentumsrechts in Form einer Reparatur beim Kunden, die sogenannte Eigenreparatur (engl. self-repair), nicht Teil einer Umsetzung eines Rechts auf Reparatur. Das heisst, dass sobald der Hersteller oder Händler ein Reparaturangebot schafft, hat der Kunde deshalb sein Recht auf Reparatur erhalten. Weiterhin vorenthalten würde ihm jedoch damit, dass er eine eigene Reparatur durchführen kann. Denn einen Zugang zu Ersatzteilen benötigt er ja dann nicht, wenn nicht vorgesehen ist, dass er selbst repariert.

Am Anfang der Debatte um das Recht auf Reparatur standen in den USA zunächst landwirtschaftliche Maschinen. Dort wurde auf den Reparaturanspruch der Eigentümer von den Herstellern vor Gericht erwidert, dass den Käufern durch den Kaufvertrag lediglich ein Nutzungsrecht an der Sache eingeräumt wurde. Das war überraschend für die Käufer. Eine Selbstreparatur war folglich vom Hersteller nicht mehr vorgesehen. Nicht mehr, weil landwirtschaftliche Maschinen, wie alle anderen Geräte vor wenigen Jahrzehnten selbstverständlich reparierbar waren, insbesondere von den Eigentümern. Deshalb gab es damals keinen Bedarf an einem Recht auf Reparatur, es war eine gängige Übung.

Die reine Zusprechung eines Rechts auf Reparatur, zum Beispiel durch ein Gesetz, ist keine hinreichende Bedingung für eine tatsächliche Reparierbarkeit, wenn man beispielsweise nicht an Ersatzteile herankommt. Und selbst der Zugang zu Ersatzteilen, auch im Original, ist keine hinreichende Bedingung mehr für Reparierbarkeit, wie es das iPhone 12 illustriert. Dort müssen Ersatzteile mit einer proprietären Herstellersoftware freigeschaltet werden, bevor sie vom Gerät vollumfänglich “angenommen” werden.

Ein vom Gesetzgeber ausgesprochenes Recht auf Ersatzteile könnte solchen Praktiken einen Riegel und eine inklusiv gestaltete Ersatzteilverfügbarkeit für alle Marktteilnehmer vorschreiben.

Bisher wird das mangelnde Recht auf Ersatzteile von den Herstellern begründet, wobei es an dieser Stelle regelmäßig zu zwei Inkonsistenzen in der Argumentation kommt, wenn Hersteller ihre Verweigerung von Ersatzteilen gegenüber reparaturwilligen Kunden rechtfertigen:

Die erste Inkonsistenz taucht in dem Argument mit dem Begriff „Sicherheit“ auf. Konkret sagen Hersteller, dass sie keine Ersatzteile liefern können, weil die Reparatur einer Sache nicht sicher sei, also eine Gefahr für den Reparierenden, das Produkt oder beide darstelle. Beim iPhone 12 wird die grundsätzliche Ablehnung des vollen Funktionsumfangs eines Ersatzteils im Falle der Kamera vermutlich auch mit “Sicherheit” begründet, weil die Kamera zur Gesichtserkennung und damit zusammenhängenden Sicherheitsprüfungen eingesetzt wird. Der Hersteller nötigt den Kunden auf diese Weise im von ihm wahrgenommenen Kundeninteresse (Sicherheit) gleichsam zum Neukauf oder zur unselbständigen Reparatur, nachdem er seinen eigenen Reparaturversuch jedenfalls unterlassen muss. Kundenschutz durch Neuanschaffung.

Das Bild des Herstellers vom eigenverantwortungslosen, kindgleich sich selbst und seine Sachen gefährdenden Kunden ist dringend und explizit diskursbedürftig, genau wie die Selbstwahrnehmung des verantwortlichen Herstellers in der komplementären Beschützerrolle: hier liegt ein gern übersehener Kern der Angelegenheit.

Ein IKT Branchenverband bestätigt dieses Kundenbild, da er von seiner Nachhaltigkeitsreferentin vortragen lässt, dass durch Reparaturen eine Gefahr ausgeht. Diese besteht genauer in der möglichen Beschädigung des Reparaturobjekts durch den Reparateur. Auf meine Nachfrage zu weiterer Ausführung oder Begründung anhand von Zahlen oder Fakten erhielt ich keine Antwort und bin deshalb nicht sicher, ob hier von spontanen und anlasslosen „Reparaturen“ von funktionierenden Geräten ausgegangen wird, oder ob es sich nicht wirklich um ein Scheinargument handelt, das Reparatur als lebensverlängernde Maßnahme verhindern und Absätze von Neugeräten schützen soll.

Denn nachweislich tragen einfache Reparaturinformationen oder -anleitungen zum Erfolg von Reparaturen deutlich bei, die Reparaturen zu längeren Nutzungsdauern und damit insgesamt zu weniger Abfall und Umweltbelastung. 

Genauso wie Sicherheitshinweise nachweislich dazu beitragen, Verletzungen und Unfälle zu vermeiden. Um also die Erfolgsrate der Reparaturen zu erhöhen und, andererseits, die Gefahr für Leib und Leben von Reparierenden oder (weitere?) Beschädigung der Produkte zu verringern, sollte ein transparenter Zugang zu Reparaturinformationen im Interesse der Nachhaltigkeit zugänglich gemacht werden, sofern nicht nur von der Nachhaltigkeit absatzgetriebener Geschäftsmodelle gesprochen wird. Und wenn Gefahren bei Reparaturen entstehen können, sind diese transparent darzustellen, damit hier niemand „im Dunkeln“ tappt, der seine Geräte reparieren möchte.

Insbesondere sind auch Hinweise auf fachliche Anforderungen explizit fassbar, damit in solchen Fällen Reparierende auch fachkundigen Rat einholen können. Auch das ist Teil einer Anleitung zu sicherem Handeln. Gerade in der IKT Branche, in der IT-Sicherheit und Datenschutz zum Alltag gehören, ist jedem Fachmann bekannt, dass der Grundsatz „security by obscurity“ keinen nachhaltigen Sicherheitsansatz darstellt. Warum also nun eben Unklarheit („obscurity“) über den richtigen Reparaturablauf mangels klarer Reparaturinformationen nachhaltig zu mehr Sicherheit (hier: „safety“) führen soll, erscheint einer besonderen Logik zu entspringen und muss bis zum Auftauchen schlüssiger Argumente als inkonsistent bezeichnet werden.

Die zweite Inkonsistenz ist im Zusammenhang mit der Ersatzteilverfügbarkeit anzutreffen. Ersatzteile bedürfen des „fachgerechten Umgangs“, anders als fertige Produkte aus eben diesen Teilen. In der Reparatursprache ist das die Reparaturfähigkeit, also die Fähigkeit oder das Fähigkeitsniveau des Reparateurs, die oder das oft als ein Maß dafür darstellt wird, wie geeignet eine Person ist, Ersatzteile zu erhalten. Dass es sich hierbei um keine Konstante handelt, sei nur angemerkt. Sicher ist: Genaue Definitionen von Kompetenzniveaus fehlen aller Orte, und wenn es Definitionen gibt sind diese oft vage und reichen von „fachlich kompetent“ über „Ausbildung oder Meisterbrief“ bis hin zu „Vertrag mit dem Hersteller“ als Eignungsindikatoren.

Keine dieser Definitionen beinhaltet im Übrigen eine Qualitätsgarantie für einzelne Reparaturen, begründet bestenfalls eine Annahme diesbezüglich.

Beispiel: Selbst einem Werkskundendienst mag einmal ein Reparaturfehler unterlaufen. Werden daraufhin alle Eignungsindikatoren neu überprüft? Nein. Unterschied: Der Werkskundendienst hat in der Regel vollen Zugriff auf alle Reparaturinformationen und Ersatzteile des Herstellers. Das heisst, dass das Kompetenzniveau notwendig für den Ersatzteilzugang ist, aber lediglich hinreichend für einen Reparaturerfolg stehen kann. Eine Person niedrigeren Kompetenzniveaus könnte ohne den Stress eines Werkskundendienstmitarbeiters und mit einer aussagekräftigen Reparaturanleitung ebenso vorhersagbare Reparaturerfolge erzielen.

Hervorzuheben ist: für den Erwerb der meisten Produkte des alltäglichen Gebrauchs bedarf es keinerlei Kompetenz- oder Eignungsnachweise. 

Sogar schnelle Autos kann man bekanntlich auch ohne Führerschein sein Eigen nennen. “Wie viele Erfahrungen mit Stabmixern können Sie vorweisen?”

Das Kompetenzargument mag im Zusammenhang mit der oben genannten Forderung nach Sicherheit bei der oder durch die Reparatur scheinbar zusätzliche Logik entfalten, zerfällt aber in dem Moment, in dem man jedes Produkt des gleichen Modells als potentielle Ersatzteilquelle erkennt. 

Das ist ein wichtiges Detail: fertige Produkte sind meist nicht monolithisch, sie bestehen aus Teilen. Wichtig ist das dann, wenn mein Wunsch, ein Gerät zu reparieren, nur stark genug wird. Dann werde ich als Selbstreparateur ab einem gewissen Punkt die Anschaffung eines Ersatzproduktes in Erwägung ziehen. Nämlich um daraus Ersatzteile zu gewinnen, wenn diese einzeln auf anderem Wege nicht (wirtschaftlich) beschaffbar sind. Auf diesem Weg der Ersatzteilbeschaffung fragt mich auch niemand nach Passierscheinen in Form von Kompetenz- oder Eignungsnachweisen, es gilt vielmehr eine allgemeine Eignungsvermutung. Es ist also grundsätzlich auch kein Verbot von Ersatzteilen erkennbar.

Mein Recht auf Ersatzteile wird also erst dann strittig, wenn ich von dem Erwerb vollständiger Ersatzteilsets, auch Produkte genannt, absehe. Jede beliebig unsinnige, vielleicht sogar ungesunde Kombination von durch mich erwerbbare Produkte erfordert keinerlei Eignungsnachweis. Doch Teile von Produkten, welche eigenständig regelmäßig keine Funktion entfalten können, sind nicht für jedermann. Warum aber muss ich meine Eignung nachweisen, wenn ich einzelne Teile eines Produkts erwerben möchte, jedoch nicht wenn ich alle Teile auf einmal nehme? Wird etwa die Liste meiner bisher erworbenen Produkte bei jeder Neuanschaffung auf Kombinationstauglichkeit geprüft, genauso wie der Hersteller (hier zu Recht) annimmt, dass ich ein Ersatzteil in einer ihm bekannten Kombination (Produkt) anwenden möchte?

Hier liegt ein offensichtlicher Fall von Inkonsistenz vor. Oder kann mit einem Reparaturversuch zur Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit eines Produkts billigerweise nicht gerechnet werden? Ein Kunde möchte das von ihm erworbene Produkt gerne und eindeutig weiterverwenden, insbesondere sobald er Bedarf an einem Ersatzteil kundtut, auch wenn Hersteller an dieser Stelle auf das bereits oben als inkonsistent dargelegte Sicherheitsargument als notwendigen Grund für die Ersatzteilverwehrung verweisen: Eine in sich konsistente Argumentation aus Inkonsistenzen.

Konsistent wäre beispielsweise, wenn der Hersteller auf Sicherheitsrisiken in der Reparaturanleitung und bei der Ersatzteillieferung konkret hinweist. 

Hier kann dann auch fachliche Reparaturbegleitung sinnvoll begründet angeraten werden, Sätze wie “… fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker” sind in anderen Bereichen ja auch üblich.

Alternativ wäre konsistent auch, Produkte mit bei falscher Bedienung gefährlichen Ersatzteilen, also teilweise, oder bei falscher Bedienung gefährliche Produkte, also insgesamt, nur noch nach Eignungsnachweis dem Kunden zugänglich zu machen. 

Solche Produkte gibt es bereits, wie das Beispiel Motorsäge beweist. Und wie wir wissen sind Unfälle mit Motorsägen zurückgegangen und dabei ist der Markt für diese Produkte nicht zusammengebrochen, weil keiner diese Eignungsnachweise erbringt.

Worum geht es bei Reparaturen? Niemand hat ein Interesse daran, Sicherheitsregeln zu verletzten oder abzuschaffen, diese sind aus vielen schlechten Erfahrungen zum Teil teuer erkauft. Unser technologisch ermöglichter Lebensstandard braucht die dazugehörigen Sicherheitsstandards. Reparaturen sind für die Lebensdauerverlängerung von Produkten jedoch ebenso unverzichtbar, und diese ist notwendig für die Reduktion der mit dem Ressourcenverbrauch einhergehenden Umweltverschmutzung. Hier haben wir noch nicht das Niveau erreicht, das wir bei der Sicherheit haben. Mir sind keine naturwissenschaftlichen oder technischen Prinzipien bekannt, warum diese zwei Anforderungen, Sicherheit und Nachhaltigkeit, nicht insoweit disjunkt sind, als dass sie beide weiter verbessert werden könnten. Über anderslautende Hinweise würde ich mich freuen und bin gerne bereit, meine Ansicht bei klaren Beweisen zu korrigieren.

Bis dahin, und auch im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, sollten Reparaturen ermöglicht, Ersatzteile erhältlich und alle Reparateure ermutigt werden, mit den richtigen Informationen Reparaturen sicher durchzuführen.