Fix und Fertig: Reparatur für die Zukunft

Von Grace Dobush, heise online

Am Wochenende startete auf dem Fixfest Reparatur-Festival eine EU-weite Kampagne zum Recht auf Reparatur. 250 nutzen die Chance zum Austausch.

Die Maker und Reparateure aus ganz Europa waren sich einig: Ein Recht auf Reparatur muss sein. Dafür muss es noch mehr Zusammenarbeit und Austausch geben. Um beides ging es beim Fixfest Reparatur-Festival. Vom 20. bis 22. September trafen sich etwa 250 Maker, Aktivisten und Bastler aus 14 Ländern an der TU Berlin um über das Reparieren und Kreislaufwirtschaften zu diskutieren.

Eine neue EU-weite Kampagne für das Recht auf Reparatur wurde am Samstag vorgestellt, zusammen mit einem Bericht der detailliert darlegt, wie groß die Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt sein könnten. Ziel der Kampagne Right to Repair ist das Recht auf Reparatur für alle – nicht nur Reparatuprofis.

Wenn die Lebensdauer von Smartphones, Staubsaugern, Laptops und Waschmaschinen jeweils um ein Jahr verlängert würde, könnten wir in der EU jedes Jahr 4 Millionen Tonnen CO2 vermeiden, etwa soviel wie 2 Millionen Autos im Jahr in die Luft pusten, so der Bericht von CoolProducts und dem Europäischen Netzwerk von Umweltorganisationen EEB. Forscher haben außerdem die Lebenszyklen der Geräte analysiert, und ausgerechnet, wie lang man sie nutzen sollte, um ihren Anteil an der Erderwärmung von der Produktion über die Nutzung bis zum Verschrotten auszugleichen. Für Smartphones, die im Durchschnitt nur drei Jahre benutzt werden, wären das mindestens 25 Jahre.

„Sobald etwas verkauft ist, verliert es sein Wert“, erklärte Melanie Jaeger-Erben, Professorin für Nachhaltigskeitsforschung der TU Berlin und plädierte dafür „die ständige kulturelle Produktion von Wertlosigkeit“ zu beenden. Um der Kultur der Veralterung zu widerstehen, brauche es auch Leute, die Gegenstände sammeln und neu verteilen. Reparieren sei außerdem Sorgearbeit: In Oldenburg, einer Stadt mit 165.000 Einwohnern, finden inzwischen acht Reparatur-Cafes statt, an sechs Tagen der Woche. Da geht es nicht nur ums Reparieren, sondern auch um Umtausch und Kontakt.

Grundsätzlich würden 77 Prozent aller EU-Bürger lieber ihre vorhandenen Objekte reparieren, statt neue zu kaufen, so die CoolProducts-Forscher. Aber dazu fehle es an Kenntnis, Werkzeugen oder gar der Erlaubnis. Der Norweger Henrik Huseby etwa steckt seit 2018 in einem Rechtsstreit mit Apple, da sein Reparaturbetrieb angeblich gefälschte Bildschirmgläser nutze und das Markenrecht verletze. Tatsächlich sei es ein Angriff auf die Reparaturkultur, meint eine Aktivistin aus Norwegen.

Seit knapp einem Monat erlaubt Apple in den USA den ersten freien Dienstleistern, Reparaturen mit Originalersatzteilen anzubieten. In der Reparaturcommunity ifixit vermisst man das Engagement von Apple weiterhin. Auf der Seite gibt es inzwischen mehr als 50.000 Reparaturanleitungen, aber außer Motorola ist kaum ein Smartphone-Hersteller dabei. Immerhin erzählt ifixit-Gründer Kyle Wiens „Für alles was in der Welt kaputt ist, gibt es jemand, der weiß, wie man es repariert.“

Smartphones sind nicht nur die Produkte mit der größten Reparatur-Nachfrage, es gibt auch viele Vorwürfe der geplanten Obsoleszenz – das gezielte Begrenzen der Lebensdauer von Produkten. Die Nonprofit-Vereinigung HOP (Halte à l’obsolescence programmée) aus Frankreich verklagt Druckerhersteller Epson, nachdem ihre Recherchen zeigten, dass deren Drucker sich frühzeitig ausschalten oder nach mehr Tinte bitten, wenn die Patronen noch zu 20 bis 40 Prozent gefüllt sind.

Der Weg zum Recht auf Reparatur

Was gilt es nun zu beachten auf dem Weg zum Recht auf Reparatur? Nathan Proctor, der die US-amerikanische Right-to-Repair-Kampagne leitet, erklärte, es sei leichter mächtige Unterstützer im US-Kongress zu gewinnen, wenn man starke Geschichten erzählen kann.So seien die Republikaner, die in Deutschland FDP wählen würden, schwierig zu überzeugen. Daher hätten die Aktivisten in den USA Militärtechniker gefunden, die Panzer um die halbe Welt schicken müssen, statt sie selbst zu reparieren. Ein weiteres Beispiel seien Bauern, die gar nicht mehr an ihren eigenen Traktoren arbeiten dürfen.

Heike Weber, Professorin für Technikgeschichte an der TU Berlin, warf einen Blick in die Geschichte des Reparierens. Im 20. Jahrhundert sei das Reparieren nicht verschwunden, hätte sich aber verändert. Reparieren und Pflegen seien vorher wichtigen Aspekte des Eigentums gewesen, besonders wenn man nicht so viel hatte. Als sie in den Hintergrund rückten, seien sie auch geschlechtsspezifischer geworden: Die Männer machen alles fürs Haus und die Frauen kümmern sich mit dem Nähkästchen um das Innenleben.

Mitverantwortlich für den Rückgang der Reparatur sei dazu die sogenannte „Vergehäusung“ vieler Geräten. Die Vergehäusung passierte im Namen der Sicherheit, hätte aber auch dazu geführt, dass Leute weniger selber reparieren können. So wurde es schließlich leichter, etwas Neues zu kaufen und manchmal sogar billiger, als Dinge reparieren zu lassen.

Traditionelle Ökonomen vom Wert des Wiederverwendens und der Reparatur zu überzeugen, sei schwierig, meinte Niko Paech der Universität Siegen in seinem Vortrag. „Meine Kollegen sagen, ‚Ja, es ist schön, dass Kinder und Verrückte so etwas machen, aber wo sind die Zahlen?‘“ Dazu zeigte er eine Powerpoint-Folie mit einer kaum zu erfassenden Formel. Was hängen bleiben sollte: wir brauchen ein neues Wirtschaftssystem, das weniger wachstumsabhängig ist.

Mit dabei waren auch Janet Gunter und Ugo Vallauri, Mitgründer des Restart Projects, das die Idee des Fixfests entwickelt und erste Veranstaltungen in London und Manchester organisiert hat. „Das System ist manipuliert“, meint Gunter. „Aber wir haben etwas, das kein Unternehmen hat oder jemals kaufen kann: Authentizität.“

Daher war die Veranstaltung selbst sehr DIY-organisiert und setzte auf kooperative Atmosphäre: die Festivalbesucher wurden gebeten, für das Mittagessen mit Gemüse vorzubereiten. Ein Zimmer war offen für eine Unconference ohne fest geplante Themen, sondern frei für spontane Gespräche und Vorstellungen. Kaputte Elektronikgeräte konnten im Reparatur-Café wieder zum Leben erweckt werden und ein eigene T-Shirt oder Jutebeutel per Siebdruck verschönert werden.

Veranstalter des Berliner Reparatur-Festivals war der Runde Tisch Reparatur, der sich mit weiteren Initiativen für das EU-weite Recht auf Reparatur einsetzt. Das nächste Fixfest soll erst 2021 stattfinden, wobei der Veranstaltungsort noch offen ist. Bis dahin sind regionale Veranstaltungen in Belgien und Skandinavien geplant.

Wie die Recht-auf-Reparatur-Kampagne läuft, wird man sehen, aber die Aktivisten glauben, dass die neue EU-Kommission von Ursula von der Leyen viel offener zu. „Die Zeit ist jetzt“, meint Vallauri. „Wir können nicht noch zehn Jahre warten.“ (Grace Dobush) / (hch)

Artikel ursprünglich veröffentlicht auf heise online