Elektrogesetz: Ungenutztes Potential nutzbar machen

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Das Positionspapier wurde vom Runden Tisch Reparatur an die zuständigen Referate im Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt sowie an die Mitglieder des Umweltausschusses des Bundestages verschickt.


Forderungspapier des Runden Tisch Reparatur e.V. zur Novellierung des Elektrogesetzes (ElektroG)

Februar 2020

Das Forderungspapier wird unterstützt von Akkutauschen.de, Bundesverband für Umweltberatung e.V., Blitzblume, BUND, Deutsche Umwelthilfe, Deutsche Gesellschaft für Warenkunde und Technologie, Germanwatch, iFixit Europe, MacAufrüsten.de, Öko-Institut e.V., Repair Café Aschaffenburg, ReUse Verein, Sustainable Design Center, Vangerow GmbH.

Vorbemerkung

In seiner derzeitigen Form erschwert das Elektrogesetz (ElektroG) die ökologisch und sozial sinnvolle Wiederverwendung und Reparatur von Altgeräten. Eine konsequente Umsetzung der Abfallhierarchie (Vermeiden – Wiederverwenden – Reparieren – Recyceln) im ElektroG könnte dazu beitragen, die jährlich steigenden Mengen an Elektroschrott zu reduzieren und den Trend umzukehren. Dafür bedarf es verbindlicher Abfallvermeidungsziele, ökologischer Kriterien für EPR-Entgelte und einer Reparaturkennzeichnung für Elektro- und Elektronikgeräte. Auch das Potential der Vorbereitung zur Wiederverwendung muss dringend durch verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen genutzt werden. In diesem Papier fasst der Runde Tisch Reparatur die wichtigsten Punkte zusammen, die für die Novellierung des ElektroG berücksichtigt werden sollten, um das Potential von Reparatur und Wiederverwendung für Ressourcenschonung und Abfallvermeidung besser zu nutzen.

1. Verbindliche und quantifizierte Abfallvermeidungsziele

Elektro- und Elektronikaltgeräte zählen zu den global am schnellsten wachsenden Abfallfraktionen. Laut Umweltbundesamt stieg allein in Deutschland die Menge des Elektroschrotts seit 2013 bis zum aktuellen Berichtsjahr 2017 kontinuierlich von 1,6 Millionen Tonnen auf über 2 Millionen Tonnen. Die damit einhergehenden Umweltbelastungen etwa durch den Rohstoffabbau und durch Klimagasemissionen sind enorm. Übergeordnetes Ziel des ElektroG muss es daher sein, die negativen ökologischen Effekte bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten auf ein Minimum zu senken. Dieses Ziel muss sich als quantitativ messbares Abfallvermeidungsziel im Gesetz wiederfinden, um die Verbindlichkeit und die Priorität der Abfallvermeidung in den Vordergrund zu stellen. Der mit der Produktion von Elektro- und Elektronikgeräten einhergehende Ressourcenverbrauch muss absolut gesenkt werden.

2. Entnehmbarkeit von Batterien und Akkumulatoren und Displays Öffentliche Beschaffung

Die aktuelle Regelung im ElektroG führt dazu, dass Hersteller Akkumulatoren und Batterien so einbauen können, dass nur deren problemlose Entnehmbarkeit, nicht aber der Austausch gewährleistet sein soll. Für die Erleichterung der Wiederverwendung und eine lange Nutzung von Geräten ist allerdings die „Austauschbarkeit“ ausschlaggebend.

Der Runde Tisch Reparatur fordert deshalb, dass Hersteller ihre Elektro- und Elektronikgeräte so gestalten müssen, dass insbesondere die Wiederverwendung, die Demontage und die Verwertung von Altgeräten sowie ihrer Bauteile und Werkstoffe berücksichtigt und erleichtert werden. Elektro- und Elektronikgeräte, die vollständig oder teilweise mit Batterien oder Akkumulatoren betrieben werden können, müssen so gestaltet werden, dass Batterien und Akkumulatoren durch die NutzerInnen problemlos ohne Hersteller- oder Sonderwerkzeug ausgetauscht werden können. Ebenso muss es problemlos möglich sein, das Display eines Elektronikgeräts auszutauschen.

3. Öffentliche Beschaffung

Die öffentliche Hand hat aufgrund ihrer immensen Nachfragemacht eine besondere Verantwortung zur Entwicklung des Marktes zugunsten von gebrauchten Geräten und umweltfreundlichen Neugeräten. Eine Verpflichtung zur Bevorzugung von Erzeugnissen mit folgenden Charakteristika (s. § 45 des KrWG-E ) ist deshalb insbesondere für Elektro- und Elektronikgeräte erforderlich. Die Beschaffungsstellen in den Kommunen, Ländern und im Bund sind zu verpflichten, Abfallvermeidungsziele umzusetzen und Geräte zu beschaffen, die

1. in rohstoffschonenden, energiesparenden, wassersparenden, schadstoffarmen oder abfallarmen Produktionsverfahren hergestellt worden sind,
2. durch Vorbereitung zur Wiederverwendung oder durch Recycling von Abfällen, insbesondere unter Einsatz von Rezyklaten hergestellt worden sind,
3. sich durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit auszeichnen oder
4. im Vergleich zu anderen Erzeugnissen zu weniger oder schadstoffärmeren Abfällen führen oder sich besser zur umweltverträglichen Abfallbewirtschaftung eignen.

4. Entgeltsysteme

Die Finanzierungsgarantie nach § 7 ElektroG erfüllt die Möglichkeiten der Erweiterten Produktverantwortung nicht. Durch wirtschaftliche Anreize in Form von Abgaben oder gestaffelten Entsorgungsentgelten könnte erheblich zu länger haltbaren Elektro- und Elektronikgeräten sowie zu deren Wiederverwendbarkeit und Reparierbarkeit beigetragen werden. Deshalb sollte das herstellergetragene System der erweiterten Produktverantwortung (EPR-Entgelte) nach ökologischen Kriterien gestaffelt werden. Um einen wirksamen Effekt auf die Produktgestaltung zu haben und einen Beitrag zur aktiven Verbraucherinformation zu leisten, sollten die EPR-Entgelte deutlich erhöht und für Informationskampagnen zur Verbraucheraufklärung eingesetzt werden. Eine bloße Finanzierung der Rücknahme und Entsorgung der Elektro- und Elektronikgeräte reicht nicht aus.

Aufgrund niedriger Preise für Primärmaterialien, die die mit deren Gewinnung verbundenen Umweltauswirkungen nicht reflektieren, sollte die Nachfrage nach Rezyklaten durch finanzielle Anreize wie einer Berücksichtigung bei der Berechnung der EPR-Entgelte und gesetzliche Mindesteinsatzquoten für Rezyklate gefördert werden.

5. Produktlogik: Kreislaufgeführte Produkte

Momentan kann ein Hersteller Altgeräte vor deren Erreichen des Abfallstatus vom Kunden zurücknehmen, muss dafür jedoch gemäß ElektroG bei erneuter Inverkehrbringung derselben Ressourcen erneut die Entsorgungsentgelte für das gesamte Gerät entrichten, obwohl kein Abfall bzw. deutlich geringere Mengen Abfall durch die Reparatur oder Wiederaufbereitung angefallen ist/sind. Das fördert den linearen Lebens“zyklus“ von Wegwerfprodukten. Ein Wiederaufbereitungs- bzw. Reparaturszenario ohne Abfall wird vom aktuellen ElektroG deshalb nicht vorgesehen. Dies stellt einen implizit negativen Anreiz dar, entsprechende Kreislaufprozesse bei den Herstellern mit den eigenen Produkten, oder wesentlichen Teilen daraus, umzusetzen. Im Gegenteil, die Auslassung eines Kreislaufszenarios im Gesetz festigt vielmehr die bestehende Abfallproduktionslogik, da de facto eine Sanktion auf abfallfreie/abfallarme Wiederaufbereitung oder Reparatur besteht, indem wiederverwendete Ressourcen genauso behandelt werden, als wären sie

1. aus neuen Ressourcen hergestellt, und
2. komplett Abfall geworden.

Bisher ist nicht vorgesehen, dass beim Verkauf von Produkten der Nachweis gebracht werden muss, dass die Produkte kreislaufgeführt, also regional und abfallarm repariert oder wiederaufbereitet werden können und dies nachweislich auch werden, nachdem sie ihre erste Nutzungsphase durchlaufen haben. Der Runde Tisch Reparatur fordert deshalb, dass kreislaufgeführte Produkte im ElektroG einen eigenen Status erhalten. Über eine dritte Produktkategorie im ear Register sollte das Wiederinverkehrbringen von kreislaufgeführten Produkten gemeldet werden. Diese werden vermutlich deutlich kleinteiliger erfolgen, als die bisherigen Chargenmeldungen, was vom System ermöglicht werden sollte. Während die Erstregistrierung wie bisher nur in zwei Kategorien möglich bleibt, für die ggf. Abfallgebühren anfallen, fallen diese für Wiederinverkehrbringungen nicht an. Es besteht mit der neuen Produktkategorie für Folgeregistrierungen jedoch die Möglichkeit, kreislaufgeführte Produkte neu zu registrieren. Dabei muss sichergestellt werden, dass die kreislaufgeführten Produkte einen echten Gebrauchszyklus durchlaufen haben, um Missbrauch beim Inverkehrbringen von Neuprodukten sicher zu verhindern.

6. Kennzeichnung der Reparierbarkeit

Durch die Reparatur von Elektro- und Elektronikgeräten kann deren Lebensdauer verlängert und gleichzeitig der Ressourcenverbrauch und andere Umweltauswirkungen deutlich reduziert werden. Aufgrund fehlender politischer Unterstützung werden kaputte Elektro- und Elektronikgeräte heutzutage jedoch immer seltener repariert. Eine verbesserte Aufklärung von VerbraucherInnen in Bezug auf die Reparierbarkeit von Geräten kann dabei helfen, Reparatur zu fördern. Der Runde Tisch Reparatur fordert deshalb eine verpflichtende Kennzeichnung der Reparierbarkeit von Elektro- und Elektronikgeräten. Eine solche Kennzeichnung kann Anreize für Hersteller schaffen, Produkte reparierbar zu gestalten und Ersatzteile zu erschwinglichen Preisen auch für VerbraucherInnen zur Verfügung zu stellen und Reparierbarkeit so als Verkaufsargument zu nutzen. Gleichzeitig bietet eine Kennzeichnung VerbraucherInnen die Möglichkeit, bewusst Geräte mit einer hohen Reparierbarkeit zu erwerben und damit eine Entscheidung für ein langlebiges Gerät zu treffen. Als Vorbild für die Kennzeichnung der Reparierbarkeit bietet sich der vor kurzem in Frankreich verabschiedete Reparaturindex an, der die Reparierbarkeit von Elektro- und Elektronikgeräten anhand von fünf Kriterien bewertet und entsprechend anzeigt.

7. Stärkung der Vorbereitung zur Wiederverwendung

Gerade bei Elektro- und Elektronikaltgeräten gibt es ein erhebliches Mengenpotenzial für die Vorbereitung zur Wiederverwendung. Das Umweltbundesamt kommt in einer Studie zum Ergebnis, dass statt der aktuell 0,55 kg/E*a zur Wiederverwendung vorbereiteten Altgeräte mehr als 4 kg/E*a entsprechend behandelt werden könnten. Das damit einhergehende Beschäftigungspotenzial wird auf bis zu 106.000 Arbeitsplätze geschätzt. Das Potenzial kann nur durch verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen erschlossen werden.

Der Runde Tisch Reparatur kritisiert, dass bis heute keine Verordnungen nach den Paragraphen §§11 und 24 ElektroG in Kraft getreten sind, um die Vorbereitung zur Wiederverwendung von Elektro- und Elektronikaltgeräten zu stärken. Die Bundesregierung muss jetzt zügig Rechtssicherheit schaffen für die Durchführung und Organisation der getrennten Erfassung für die Vorbereitung zur Wiederverwendung. Ebenso muss sie rechtssicher klarstellen, nach welchen Kriterien Erstbehandlungsanlagen als Vorbereiter zur Wiederverwendung zertifiziert werden sollen. Bei der Erstellung der Rechtstexte sollte die Bundesregierung den Empfehlungen des Umweltbundesamt (Forschungskennzahl 3716 34 327 0) folgen. Die entsprechenden Verordnungen sollen zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Der Runde Tisch Reparatur fordert

  • den Zugang von zugelassenen Wiederverwendungseinrichtungen zu geeigneten Altgeräten erheblich zu erleichtern,
  • die Sammelstellen der öffentlich-rechtlichen Entsorger und der Vertreiber verpflichtend so auszugestalten, dass Altgeräte für die Vorbereitung zur Wiederverwendung von den anderen getrennt gesammelt Altgeräten separiert werden,
  • Für Wiederverwender eine Ausnahme vom Separierungsverbot der Elektro- und Elektronikaltgeräte an der Sammelstelle gesetzlich zu verankern,
  • Maßnahmen zu treffen, um die Zusammenarbeit von Sammelstellen und Wiederverwendungseinrichtungen vertrauensvoll, transparent und dem Prinzip der Nähe folgend auszugestalten. Vergabeverfahren oder Kooperationsverträge sind dazu anzuwenden, wobei die Erfüllung sozial-ökologischer Kriterien der Wiederverwendungseinrichtungen vorrangig berücksichtigt werden soll.

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