Die Welt reparieren: Das Fixfest-Reparatur-Festival 2019
Sie sind aus aller Welt nach Berlin gekommen, um die Reparatur zu feiern: 250 AktivistInnen, ReparateurInnen, BastlerInnen und ForscherInnen aus 14 Ländern besuchten im September das 2. internationale Fixfest-Reparatur-Festival und waren sich einig: Repair for Future. Denn Reparieren macht nicht nur Spaß, sondern schont auch die Ressourcen und schützt das Klima.
Das Fixfest 2019 war Treffpunkt für PionierInnen der europäischen und weltweiten Reparaturbewegung. Der Kampf für ein Recht auf Reparatur, der vor ein paar Jahren in den USA begann und immer mehr Fahrt aufnimmt, entstand vor allem aus einem Grund: Ob unabsichtlich oder gewollt, Hersteller erschwerten es VerbraucherInnen immer mehr, Produkte zu reparieren oder reparieren zu lassen. Die Reparaturbewegung hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Trend umzukehren und das Reparieren wieder zur Normalität zu machen und nicht zur Ausnahme verkommen zu lassen. Kyle Wiens, Gründer der Reparaturplattform iFixit, und Nathan Proctor, Kopf der amerikanischen Right-to-Repair-Bewegung, berichteten auf dem Fixfest von ihren Erfolgen in der US-amerikanischen Gesetzgebung. In einer wachsenden Anzahl von US-Staaten haben sie es geschafft, Reparaturgesetze auf die Tagesordnung setzen, die sicherstellen sollen, dass VerbraucherInnen Ersatzteile erhalten und Geräte reparaturfreundlich konstruiert werden müssen.
Auch Europa braucht ein Recht auf Reparatur
Dass auch die europäischen AktivistInnen keine Zeit mehr verlieren wollen, zeigte sich auf dem Fixfest beim offiziellen Start der Kampagne Right to Repair Europe. Die Kampagne fordert die europäischen EntscheidungsträgerInnen auf, endlich notwendige Maßnahmen zu ergreifen, damit unsere Produkte länger halten und repariert werden können. Die Mitglieder der Kampagne wollen dazu beitragen, Produktions- und Verbrauchsmuster zu ändern, indem sie die Vorteile reparierbarer Produkte hervorheben und sich für ehrgeizige politische Maßnahmen einsetzen, um das Recht auf Reparatur zu verwirklichen. Tatsächlich bieten sich mit der Ökodesignrichtlinie oder einem Reparaturindex auf EU-Ebene verschiedene Möglichkeiten, das Recht auf Reparatur gesetzlich umzusetzen. Passend zum Start der Kampagne stellte das Europäische Umweltbüro, Gründungsmitglied von Right to Repair Europe, eine neue Studie zu den Klimakosten von Elektrogeräten vor. Das Ergebnis: Eine längere Lebensdauer von Smartphones und anderer Elektronik um nur ein Jahr würde der EU ebenso viele CO2-Emissionen einsparen, wie zwei Millionen Autos jährlich verbrauchen. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichten, was die BesucherInnen des Fixfests bereits seit Langem wissen: Reparieren ist ein Klimaschutzbeitrag, der in jeder Hinsicht sinnvoll ist: ökologisch, ökonomisch und sozial.
Fixe Selbsthilfe weltweit – immer mehr Menschen packen es an
Das ist auch der Grund, warum sich viele Tausende Ehrenamtliche jeden Tag in Reparaturtreffs auf der ganzen Welt engagieren und ihren NachbarInnen dabei helfen, defekte Geräte zu reparieren. GründerInnen solcher Initiativen und MitarbeiterInnen von Reparaturnetzwerken tauschten sich auf dem Fixfest darüber aus, wie sie neue – insbesondere junge – Mitglieder gewinnen oder mit anderen gesellschaftlichen Initiativen in Kontakt treten und kooperieren können. Ob in Jena, Bangalore, Kapstadt oder Leuven: Die Probleme, Erfolge und Alltagsgeschichten der Community-Repair-Projekte ähneln sich häufig. In Workshops zu Fakten über kritische Rohstoffe, Ersatzteile aus dem 3D-Drucker oder die Bedeutung von Open Source für die Reparatur erhielten die TeilnehmerInnen des Fixfests auch Informationen über im weiteren Sinn reparaturrelevante Themen und diskutierten die Bedeutung dieser aktuellen Entwicklungen für die Reparaturbewegung. Auch die wissenschaftliche Betrachtung der Reparatur war ein wichtiger Bestandteil des Programms. Melanie Jaeger-Erben, Professorin für Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung in der Elektronik an der TU Berlin, stellte ihre Forschungsergebnisse zur „Produktion von Wertlosigkeit“ und unserem Verhältnis zu Konsum und Alltagsgegenständen vor. Postwachstums-Forscher Niko Paech betrachtete die Reparatur in seinem Vortrag als elementaren Baustein einer Wirtschaft, die sich vom Wachstumszwang befreit hat. Heike Weber, Professorin für Technikgeschichte an der TU Berlin, warf einen historischen Blick auf die Reparatur und die Lebensdauer der Dinge. Sie stellte fest: Quantitativ sei in den vergangenen Jahrzehnten weniger das Reparieren zurückgegangen. Vielmehr habe sich in Massenkonsumgesellschaften der Ding-Besitz radikal erhöht und es werde Gebrauchsgütern nun eine „Lebensdauer“ unterstellt. Die BesucherInnen des Fixfests waren sich einig, dieser Entwicklung Einhalt gebieten und Reparieren als eine von vielen Lösungen für die Krisen nutzen zu können, vor denen wir stehen.
Verbände, Organisationen und Unternehmen, die sich für ein Recht auf Reparatur einsetzen möchten, finden beim Runden Tisch Reparatur weitere Informationen zum Thema.
Dokumentation der Veranstaltung: www.fixfest.org/doku
Dieser Beitrag erschien zuerst in umwelt aktuell 11- 2019