Der französische Reparatur-Index: Antworten auf die wichtigsten Fragen
Seit dem 1. Januar 2021 gibt es in Frankreich einen Reparatur-Index. Das auch aus den Nachbarländern mit mit großem Interesse beobachtete Label zeigt Käufer*innen von Smartphones, Fernsehern, Laptops, Waschmaschinen und Rasenmähern in Form eines Punktestands zwischen 0 und 10 an, wie gut die Geräte reparierbar sind. Der Index wird zunächst nur für diese fünf Produktgruppen verpflichtend eingeführt, nach und nach soll er auch auf weitere Gerätegruppen ausgeweitet werden. Das Ziel dieser Maßnahme: Verbraucher*innen sollen die Reparatur-Freundlichkeit von Produkten vergleichen können und sich direkt beim Kauf für ein gut reparierbares Gerät entscheiden. Die französische Regierung will die Quote reparierter Geräte damit innerhalb von fünf Jahren von 40 auf 60 Prozent steigern.
Wie wird der Index berechnet?
Der Index berechnet sich aus fünf Kriterien, die alle zu gleichen Teilen in die Gesamtwertung einfließen:
1. Dokumentation |
Welche Informationen stehen zur Verfügung? (z.B. Explosionszeichnungen, Reparaturanleitungen) Wem stehen sie zur Verfügung? (Verbraucher*innen, unabhängigen Werkstätten oder nur lizenzierten Werkstätten) Wie lange stehen sie zur Verfügung? |
2. Zerlegbarkeit |
Wie viele Arbeitsschritte sind notwendig, um ein wichtiges Teil auszutauschen? Ist für den Austausch von Teilen Spezialwerkzeug nötig? Sind die Kontakte entfernbar oder fest verbaut? |
3. Ersatzteile |
Wer kann Ersatzteile erhalten? (Verbraucher*innen, unabhängigen Werkstätten oder nur lizenzierten Werkstätten) Wie lange sind Ersatzteile erhältlich? Wie schnell werden Ersatzteile geliefert? |
4. Ersatzteilpreis |
Wie teuer sind die wichtigsten Ersatzteile im Verhältnis zum Neupreis des Geräts? (Über 30 Prozent = 0 Punkte) |
5. Produktspezifisches |
Da die Anforderungen für eine Reparatur sich von Produktart zu Produktart unterscheiden, bezieht der Index auch produktspezifische Kriterien in die Berechnung ein, z.B. Art des angebotenen Hersteller-Supports oder Verfügbarkeit von Software-Updates und -Resets |
Warum finde ich den Index noch nicht auf französischen Produkten?
Auch wenn der Index seit nun gut drei Wochen für fünf Produktgruppen verpflichtend ist, haben noch nicht alle Hersteller und Händler die Bewertung ihrer Produkte veröffentlicht. Sie begründen dies damit, dass die Maßnahme recht kurzfristig und ohne große Vorlaufzeit verabschiedet wurde, sodass nicht genug Zeit blieb, um sich vorzubereiten. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Abläufe und Prozesse hätten zu weiteren Verzögerung beigetragen. Da die Verordnung tatsächlich erst am 29. Dezember 2020 veröffentlicht wurde, scheint die Regierung den Unternehmen ein Jahr Gnadenfrist gewähren zu wollen und hat angekündigt, Verstöße gegen die Veröffentlichung des Index erst ab 2022 zu bestrafen.
Welche Hersteller sind bereits dabei?
Einige Hersteller zeigen aber, dass es auch anders geht und sie ausreichend Zeit hatten, um eine Bewertung ihrer Produkte vorzunehmen. So finden sich auf den Webseiten französischer Elektronikhändler zum Beispiel derzeit Reparatur-Scores für Produkte folgender Marken:
Smartphones | Fernseher | Notebooks | Waschmaschinen | Rasenmäher |
Essentielb | Hisense | Asus | AEG | Landxcape |
Fairphone | Samsung | Lenovo | Asko | Workx |
OnePlus | Sony | Bosch | ||
Samsung | Candy | |||
Wiko | Elektrolux | |||
essentielb | ||||
Gorenje | ||||
Haier | ||||
Hisense | ||||
LG | ||||
Listo | ||||
Miele | ||||
Samsung |
Die Webseite www.indicereparabilite.fr (nur auf Französisch) bietet einen Überblick über bereits bewertete Produkte und liefert Details der Berechnungen.
Wie kann ich die Berechnung des Index für ein bestimmtes Produkt nachvollziehen?
Da die Hersteller für die Berechnung der Punktzahl selbst verantwortlich sind und Aufsichtsbehörden die Ausweisung der Werte nicht umfänglich kontrollieren, müssten die für die Berechnung verwendeten Daten aus Sicht des Runden Tisch Reparatur öffentlich einseh- und damit nachvollziehbar sein. Hersteller müssen ihre Berechnung laut Verordnung in einer einfachen Tabelle (siehe Bild) darlegen. In welcher Form diese Tabelle für Verbraucher*innen zugänglich sein soll, ist jedoch nich nicht bekannt. Das französische Umweltministerium hofft darauf, dass falsche Angaben und Berechnungsfehler durch zivilgesellschaftliche Akteure und Reparaturexperten wie iFixit erkannt und gemeldet werden.
Wie aussagekräftig ist der Index?
Obwohl der Index die wichtigsten Kriterien für die Reparierbarkeit von Produkten – insbesondere den Preis von Ersatzteilen – berücksichtigt, bestehen bei der Gewichtung der einzelnen Kriterien und Unterkriterien teilweise Schwachstellen. So können Produkte, für die nach zwei Jahren schon keine Ersatzteile mehr zur Verfügung stehen, die ansonsten aber recht einfach und gut reparierbar wären, einen hohen Reparatur-Index erhalten. Fehlen die Ersatzteile, ist aber auch das beste Design nutzlos.
Teilweise wird es Herstellern auch recht einfach gemacht, Punkte zu erhalten: So gibt es beispielsweise bereits einen Punkt dafür, wenn Hersteller die Art ihrer Software-Updates kommunizieren. Eine Aussage über die Nutzungsdauer wird dadurch nicht getroffen.
Wird der Index dazu führen, dass mehr repariert wird?
Mehr Transparenz über die Reparierbarkeit von Produkten kann einen wichtigen Beitrag zur längeren Nutzungsdauer von Elektronikgeräten leisten – zum einen, weil VerbraucherInnen die Möglichkeit erhalten, eine bewusste und informierte Kaufentscheidung für Geräte mit einem hohen Reparatur-Index zu treffen, zum anderen schafft der Index einen Anreiz für Hersteller, Produkte reparaturfähig zu gestalten und Ersatzteile zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung zu stellen. Nichtsdestotrotz stellt der Reparatur-Index nur einen Anreizmechanismus für Hersteller und VerbraucherInnen dar. Eine Verpflichtung, Produkte reparierbar zu gestalten, leitet sich daraus nicht ab. Um unseren Rohstoffverbrauch zu senken und die Nutzungsdauer von Produkten in unserer Gesellschaft maßgeblich zu erhöhen, kann der Index deshalb nur eine flankierende Maßnahme sein. Neben weiteren Anreizmechanismen wie einer Mehrwertsteuerreduzierung auf Reparaturdienstleistungen, Ersatzteile und Gebrauchtwaren, bedarf es weiteren regulativen politischen Maßnahmen. Hierunter fallen gesetzlich verbindliche Anforderungen und Mindeststandards an das Produktdesign von Elektro- und Elektronikprodukten, gesetzliche Regelungen für die Verfügbarkeit und die Preispolitik von Ersatzteilen und die dauerhafte Bereitstellung von Informationen und Software-Updates für alle Produkte.
Ist der Index ein Beispielmodell für Deutschland und die EU?
Die EU-Kommission prüft derzeit die Einführung eines europäischen Reparatur Scorings und führt Studien über eine mögliche Umsetzung im Zusammenhang mit der Kennzeichnung für Energieeffizienz durch. Die Marktmacht des europäischen Binnenmarktes könnte auch positive Anreize für reparaturfreundliche Produkte außerhalb Europas schaffen.
Um den Druck auf europäischer Ebene zu erhöhen und den Prozess voranzutreiben, muss die Bundesregierung sich ein Beispiel an Frankreich nehmen und einen nationalen Reparatur-Index einführen. Auch hier kann der Index aus Paris als Vorlage dienen. Mit einer transparenten Einführung des Index würde die Bundesregierung Reparatur als Grundlage einer ressourcen- und energiesparenden Kreislaufwirtschaft anerkennen, sichtbar machen und fördern.