Licht ins Dunkel der deutschen Reparaturpolitik

Aus

Gastbeitrag von Maximilian Voigt, Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.

Als die Bundesregierung 2021 angetreten ist, hatte sie sich vorgenommen das sogenannte „Recht auf Reparatur“ voranzubringen und die Reparierbarkeit eines Produktes „zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft“ zu machen (siehe Koalitionsvertrag). In den folgenden Jahren gab es immer wieder Berichterstattung zu den Entwicklungen auf EU-Ebene. Deutschland wollte mit einem Aktionsprogramm „Reparieren statt wegwerfen“ eine Vorreiterrolle einnehmen. Doch bisher ist nichts passiert. Dafür haben wir ein EU-weites Recht auf Reparatur bekommen, das seinen Namen nicht verdient. Mich hat ein Jahr die Frage beschäftigt: Für was hat sich die Bundesregierung nun wirklich eingesetzt? Zahlreiche Anfragen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes und eine Klage gegen das Bundes Justizministerium später gibt es einen Haufen Papier und ein paar Antworten.

Das Aktionsprogramm, ein Rohrkrepierer

Mit dem Aktionsprogramm „Reparieren statt wegwerfen“ wollte die Bundesregierung bzw. das durch die Grünen geführte Umweltministerium (BMUV) mit dem Justizministerium (BMJ) und dem Wirtschaftsministerium (BMWK) ein Paket auf den Weg bringen, das die Reparatur fördert. Doch lange war unklar wie es genau geschnürt ist. Noch bevor es veröffentlicht werden konnte sickerte durch, dass es keine Einigung geben und das Aktionsprogramm nicht in der angekündigten Form kommen wird. Woran ist es gescheitert? Durch eine Klage gegen das BMJ liegen der Entwurf des Programms sowie die Kommunikation zwischen BMUV und BMJ dazu vor. Daraus geht hervor, dass das Aktionsprogramm sich mit dem in der Entwicklung befindlichen „Right to Repair“ verwickelte, statt innovative nationale Projekte anzugehen. Die wenigen guten Ansätze wurden vom BMJ in der Luft zerrissen – End of Story.

Von wegen voranbringen: die Bundesregierung auf EU-Ebene

In der Kommunikation zum Aktionsprogramm „Reparieren statt wegwerfen“ verwies insbesondere das BMJ immer wieder auf die EU-Ebene. Dort würden ja gerade neue Regeln zur Förderung des Reparierens entstehen, die müsse man abwarten, um keine bürokratischen Hürden zu schaffen. Welche Rolle hat Deutschland also bei der Schaffung dieser Regeln eingenommen? Diese Frage richtete ich an das zuständige und FDP geführte BMJ, das die nationale Positionsfindung koordinierte und an die EU-Gremien herantrug. Spoiler: Die wirtschaftlichen Interessen standen im Vordergrund. Aus den angefragten Kommentaren und Weisungen geht hervor, dass sich Deutschland auch hier nicht als innovativer Impulsgeber zeigte, der die Reparatur voranbringen möchte, sondern im Gegenteil bremste und abschwächte. So sollte eher auf Anreize, als auf Vorschriften gesetzt werden. Die Anreize sollten aber nicht zu stark ausfallen. So versuchte Deutschland zu verhindern, dass die Gewährleistung im Falle einer Reparatur auf ein Jahr ausgeweitet wird – ein halbes Jahr sollte reichen. Auch stellte sich Deutschland gegen die Verpflichtung zu nationalen Maßnahmen, die die Reparatur fördern. Hier war ein größeres Paket angedacht. Das ärgerte insbesondere Frankreich. Wichtig war Deutschland hingegen, dass Ersatzteilpreise „reasonable“, also „angemessen“ sein sollen. Hier betonte Deutschland allerdings, dass die Angemessenheit auch für die Wirtschaft gelten solle. Letztendlich müssen Gerichte entscheiden, was angemessen ist. Durch diese Formulierung wird es vermutlich schwer, Ersatzteile für Bürger*innen günstig zu gestalten und die Reparatur damit attraktiv zu machen.

Besonders problematisch erscheint die Abschwächung von §5 (6), der reparaturhinderliche Praktiken verbietet. Deutschland setzte sich dafür ein, dass vor dem Hintergrund von Anliegen hinsichtlich des geistigen Eigentums dieses Verbot ausgehebelt werden kann. Diese Abschwächung wurde nach der Veröffentlichung der EU-Regeln scharf kritisiert, unter anderen von Right to Repair Europe und dem Runden Tisch für Reparatur (RTR).

Deutschland: eine Reparaturbremse

Nach der Veröffentlichung des europäischen Rechts auf Reparatur wurde es scharf kritisiert. Insbesondere Right to Repair Europe schrieb, dass es nicht als Solches bezeichnet werden könne. Auch für den RTR, Gründungsmitglied von Right to Repair Europe, ist die zögerliche bis bremsende Haltung der Bundesregierung beim Recht auf Reparatur frustrierend: „Statt das Potenzial der Reparatur für eine sozialverträgliche und ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft zu nutzen, wird weiterhin an der Ansicht festgehalten, dass Hersteller nicht mit neuen Anforderungen überfordert werden dürfen. Dabei braucht es klare Regeln für alle Akteure, die Produkte in Europa auf den Markt bringen, einen fairen Reparaturwettbewerb und Anreize, damit Reparieren im Vergleich zum Neukauf auch finanziell wieder attraktiver wird. Das ist Aufgabe der Politik“, erklärt Katrin Meyer, Geschäftsführerin des RTR.

Die Kritik fokussiert insbesondere die Abschwächung des Verbots reparaturhinderlicher Praktiken, die ungenauen Angaben zu Ersatzteilpreisen und, dass die neuen Regeln nur für wenige Produktgruppen gelten. Um herauszufinden, welche Positionen die einzelnen Ministerien vertraten, fragte ich jeweils eine Auflistung an. Das BMJ machte darin transparent, dass sie gegen eine Ausweitung der Verpflichtung zur Reparatur nach §5 sind. Damit legt das Ministerium einer Stärkung der Reparatur einmal mehr Steine in den Weg.

Insgesamt ergibt sich daraus ein trauriges Bild, das Deutschland als bremsendes, verhinderndes und nicht innovatives Land darstellt, das sich kaum dafür eingesetzt hat, die Reparatur zu stärken, sondern im Gegenteil dafür sorgte, es zu dem zu machen, was es geworden ist: kein Recht auf Reparatur.

Dabei ging es bei den diskutierten Regeln um wenig. Völlig außen vor waren von Beginn an bereits im Umlauf befindliche Produkte sowie Bürgerinnen und Bürger, denen nicht zugetraut wird, selbst zu reparieren. Ihnen stehen nach aktuellen Regeln kaum Ersatzteile und reparaturrelevante Informationen zur Verfügung. Unklar ist auch ob Reparaturinitiativen, wie Repair Cafés, in diese Rolle kommen. Denn nur sogenannten „Professionellen Reparateuren“ wird Zugriff auf diese Ressourcen zugesichert. Ob Reparaturinitiativen darunterfallen, ist unklar.

So ergibt sich ein wenig partizipatives Bild, in dem „Verbraucher*innen“ in ihrer Rolle verbleiben: abhängig vom Wohlwollen der Industrie. Dabei zeigt Frankreich seit Jahren, dass es auch anders geht. So hat das Land schon lange einen nationalen Reparaturindex, gegen den sich das BMJ bei den Verhandlungen zum Aktionsprogramm stellte. Frankreich fokussierte ebenfalls vor Jahren die 3D-Reparatur, mit der druckbare Ersatzteile schnell lokal selbst hergestellt werden können. Damit versucht das Land zumindest, neue Wege zu gehen, die Zivilgesellschaft zu stärken und ein nachhaltiges Produktsystem zu schaffen. Diese Chance hat Deutschland verpasst. Und das obwohl ein Großteil der EU-Bürger*innen ein großes Interesse daran hat, die Reparatur zu verbessern. Knapp 80% der Europäer*innen wünschen sich das bei digitalen Geräten – eine verpasste Chance, ganz praktische Verbesserungen im Alltag zu schaffen.

Alle Unterlagen finden sich auf fragdenstaat.de

Maximilian Voigt arbeitet für den Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. am Thema Produkttransparenz und beschäftigt sich insbesondere mit Open Source Hardware und der Stärkung der Zivilgesellschaft.