Anforderungen an die deutsche Kreislaufwirtschaftsstrategie

Gemeinsam mit 23 Organisationen des „Netzwerk Ressourcenwende“ formuliert der Runde Tisch Reparatur Bedingungen für den Erfolg der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie.


Die drastische Reduktion des Ressourcenverbrauchs ist eine zwingende Voraussetzung, um Klimakrise, Artensterben und die Verschmutzung durch Schadstoffe aufzuhalten. Nur durch eine entsprechende Reduktion können menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken von Primärrohstoffabbau wirksam minimiert werden. Diese bedrohen unsere Ökosysteme und unsere Gesundheit – hier und weltweit. Zirkuläres Wirtschaften kann einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs leisten und ist zudem essentiell für resiliente Stoffströme. Wie wichtig diese sind, zeigen die sich zuspitzenden Probleme in globalen Lieferketten aufgrund der jüngsten geopolitischen Entwicklungen.
Deshalb begrüßen wir, dass sich die Bundesregierung mit der Erarbeitung der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) auf den Weg macht, dieses Potential zu heben. Doch auch Kreislaufwirtschaft hat Grenzen: Kreisläufe können physikalisch nicht komplett geschlossen und primäre Rohstoffe nur zum Teil durch sekundäre Rohstoffe ersetzt werden.

Daher muss sich die NKWS am übergeordneten Ziel der absoluten und signifikanten Senkung des primären Ressourcenverbrauchs ausrichten.1 Das hat sich die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag als Regierungsziel gesetzt. Wir erwarten, dass die NKWS dieses Regierungsziel endlich konkretisiert und die Umsetzung einleitet. Zur Erarbeitung einer erfolgreichen NKWS müssen aus unserer Sicht die folgenden Rahmenbedingungen und Eckpfeiler gegeben sein:

1. Anders als bisher im KrWG, müssen die 10 R-Strategien („R“s) der zirkulären Wirtschaft konsequent adressiert werden.2 Die NKWS muss Maßnahmen und Instrumente für alle Ebenen definieren. Recycling ist mit gutem Grund auf dem vorletzten Platz der 10 „R“s. Es darf keine einseitige Technikfokussierung geben. Gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Aspekte der Umsetzung der 10 „R“s müssen gleichermaßen in den Fokus gestellt werden.

2. Über die NKWS hinaus muss (wie im Koalitionsvertrag angekündigt) der rechtliche Rahmen für den Ressourcenschutz konsequent angepasst werden. Nur so kann das „Ziel der Senkung des primären Rohstoffverbrauchs“ erreicht werden. Dazu muss die Bundesregierung langfristig ein Ressourcenschutzgesetz in Form eines übergeordneten Stammgesetzes erlassen. So kann Ressourcenschutz – vergleichbar zum Klimaschutz – als Maxime mit sektor- und ressortübergreifender Strahlkraft etabliert werden. Anwendungsbereich, Ziele und Grundsätze des Ressourcenschutzes müssen hier festgelegt werden. In der NKWS muss der Grundstein dafür gelegt werden.

3. Die Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung müssen umgesetzt werden.5 Dazu müssen in der NKWS (und langfristig im Ressourcenschutzgesetz) zwei übergeordnete Ressourcenschutzziele auf Basis des Indikators Total Material Consumption (TMC) festgelegt werden:
– Bis 2050 ist die Nutzung von abiotischen Primärrohstoffen auf maximal 6 Tonnen pro Person und Jahr zu reduzieren.
– Bis 2050 ist die Nutzung biotischer Primärrohstoffe auf maximal 2 Tonnen pro Person und Jahr zu reduzieren.
Dazu muss die NKWS ein Monitoring vorsehen, durch welches der Fortschritt der Zielerreichung überprüft und gemessen wird. Entsprechende Monitoring-Berichte müssen veröffentlicht werden. Ein Monitoring des Ressourcenverbrauchs in TMC ist essentiell, da nur so die ungenutzte Rohstoffentnahme (z.B. Abraum) berücksichtigt wird. Solange die Datenbasis für ein Monitoring in TMC noch nicht etabliert ist, sollte der Ressourcenverbrauch in RMC6 gemessen werden. In Bezug auf RMC muss das Ziel sein, den Verbrauch bis 2030 auf acht Tonnen pro Person und Jahr zu reduzieren. Das entspricht einer Reduktion um 50% gegenüber 2019.

4. Für jedes Handlungsfeld der NKWS müssen konkrete politische Maßnahmen und Instrumente zur Umsetzung von zirkulärem Wirtschaften formuliert werden. Grundlage sollte der Status Quo der aktuellen Gesetzgebung sein. Wichtig ist eine Analyse der daraus resultierenden Hindernisse für eine zirkuläre Wirtschaft. Die geplanten politischen Maßnahmen müssen auf alle zirkulären Strategien einzahlen und diese fördern. Diese politische Roadmap muss die unter 3. genannte Zielsetzung konkretisieren und muss möglichst schnell durch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens gesetzlich verankert werden. Nur so kann eine Verbindung zwischen der Zielvorgabe und den Maßnahmen, sowie eine schnelle Umsetzung sichergestellt werden.

5. Damit die Transformation zu einer zirkulären Wirtschaft eine gesellschaftliche Basis hat, müssen zum einen ihre sozialen Implikationen – auch im Sinne von globaler Gerechtigkeit – bewusst gestaltet und, wo nötig, abgefedert werden. Hierfür muss der Arbeitsmarkt im Sinne eines gerechten Übergangs (just transition) umgestaltet werden. Eine solche Umstrukturierung kann zusätzliche, sinnstiftende Arbeitsplätze in einigen Sektoren und Arbeitsplatzverluste in anderen bedeuten. Mögliche Vorteile für Bürger*innen, wie mehr Selbstbestimmtheit über Konsumgüter durch Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit, müssen proaktiv gefördert werden. Dazu müssen unter anderem Bildung und positive politische Kommunikation den gesellschaftlichen Rückhalt und den Wandel zu kreislauforientiertem Konsum gezielt unterstützen.

6. Eine geregelte gesellschaftliche Mitwirkung an der Erarbeitung der Strategie ist essentiell. Dazu muss klar definiert werden, wie Entscheidungsfindungsprozesse während der Strategieerarbeitung und im Anschluss stattfinden und wie mit den Ergebnissen des Stakeholder-Prozesses umgegangen wird. Es muss sichergestellt werden, dass alle relevanten Stakeholdergruppen in adäquater Weise und paritätisch an dem Prozess beteiligt werden. Hierzu gehören neben den verschiedenen NGOs aus den Bereichen Umwelt, Klima, Gesundheit, Entwicklung und Soziales auch Vertreterinnen der Gewerkschaften und der Wissenschaft. Insbesondere die zivilgesellschaftlichen Gruppen verfügen hierfür jedoch nicht über die gleichen finanziellen und personellen Kapazitäten wie beispielsweise Industrieakteurinnen, so dass die gleichwertige Teilnahme auch durch entsprechende finanzielle Unterstützung sichergestellt werden muss.

7. Damit die NKWS den erwünschten Erfolg liefert, braucht es ein entsprechendes Budget zur Umsetzung der erarbeiteten Maßnahmen.
Basierend auf diesen übergeordneten Eckpfeilern und Rahmenbedingungen müssen weitere Schritte und Maßnahmen erarbeitet werden. Ein entsprechend ausgestalteter Stakeholder-Prozesses, kann die erfolgversprechendsten Maßnahmen zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs identifizieren.